Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von Obama hofiert. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist als Reformer in den USA geschätzt.

Washington. Sie sprachen sich mit Vornamen an und taten auch sonst alles, dem Eindruck angeblicher Verspannungen im bilateralen Verhältnis entgegenzutreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama betonten gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Garten des Weißen Hauses Einigkeit in wichtigen internationalen Fragen.

Mit Blick auf das zuletzt wegen der Libyen-Frage getrübte bilaterale Verhältnis verwies Obama auf die "zusätzliche Verantwortung", die Deutschland in Afghanistan übernommen habe, um anderen verbündeten Nationen "Ressourcen frei zu machen für den Schutz des libyschen Volkes". Nach einem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi sei viel Arbeit zu leisten.

Dann "erwarte" er "umfangreiche deutsche Unterstützung", fügte der US-Präsident hinzu. Obama bezeichnete Merkel als gute Freundin und Partnerin. Zugleich betonte er seine "Wertschätzung" für den pragmatischen Ansatz "der Kanzlerin "bei sehr komplexen Angelegenheiten". Der US-Präsident betonte: "Ich traue ihr." Merkel bedankte sich ausdrücklich für den "herzlichen Empfang" in Washington und sagte Unterstützung beim Aufbau staatlicher Institutionen in Libyen zu, etwa beim Aufbau der Polizei in Bengasi.

Sie war in die USA gereist, um den höchsten zivilen Orden des Landes, die Freiheitsmedaille, in Empfang zu nehmen. Wem so viel Ehre zuteil wird, der muss möglichst viele daran teilhaben lassen. So war die Regierungsmaschine nach Washington voll wie ein Touristenflieger nach Mallorca. Fünf deutsche Minister waren mitgekommen: Guido Westerwelle, Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble und Hans-Peter Friedrich sowie Philipp Rösler. Daneben vertraten Hessen Ministerpräsident Volker Bouffier und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz die Interessen der Bundesländer. So erhielt das Treffen den Charakter von Regierungskonsultationen.

Eine erste Gelegenheit für Scholz (SPD) zu politischen Gesprächen ergab sich bereits bei der offiziellen Begrüßung der deutschen Delegation auf dem Südrasen des Weißen Hauses. Er stand neben US-Außenministerin Hillary Clinton. Die US-Politikerin kenne sich gut aus, was die lange republikanische Tradition Hamburgs angehe, sagte Scholz nach der Begegnung.

Am frühen Nachmittag war Scholz als Gastredner bei einer exklusiven Roundtable-Diskussion des Centers for American Progress eingeladen. Thema seiner Rede: "Lektionen aus Deutschlands ökonomischen und sozialen Reformen - wie man politisches Leid in politischen Erfolg umdrehen kann". Das Zentrum für amerikanischen Fortschritt, so die deutsche Übersetzung, ist ein von Obama ins Leben gerufener Thinktank. Scholz' Ruf als Reformpolitiker hat sich bis in die USA herumgesprochen. In der Einladung zu der Diskussion wird der frühere Bundesarbeits- und Sozialminister als "Hauptarchitekt und Wegbereiter der Strukturreformen in Deutschland" bezeichnet.

Die hervorragenden Wirtschaftsdaten sind auch ein Grund für die relative Unbefangenheit der Amerikaner gegenüber Merkel. Deutschland hat die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1990, die USA eine der höchsten. Merkel mag in der deutschen Wahrnehmung geschwächt sein, als Repräsentantin der stärksten Wirtschaftsmacht Europas ist sie nach außen hin ungeheuer stark. Die Verleihung der Freiheitsmedaille beim großen Staatsbankett hebt Merkel über die anderen europäischen Staats- und Regierungschefs hinaus. Obama hat bisher keinem ihrer europäischen Kollegen ein solches State Dinner ausgerichtet. Deutschland ist überhaupt erst die vierte Nation nach Mexiko, Indien und China, der Obama diese Ehre zuteil werden lässt. Insgesamt drei Treffen in 48 Stunden, davon eines unter vier Augen im Oval Office des Weißen Hauses, ein Mittagessen mit dem Vizepräsidenten Joe Biden, schließlich ein Staatsbankett - mehr kann einem Gast nicht geboten werden.

Dies alles ist natürlich Auftrag. Die USA haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass ihnen Deutschlands Freundschaft viel wert ist. Merkel hat ihrerseits dadurch, dass sie mit großem Hofstaat in die USA gereist ist, gezeigt, dass sie die ungetrübte Aufmerksamkeit Washingtons wünscht. Ein Deutschland aber, das sich mit solchem Prunk empfangen lässt, kann sich nicht mehr auf seine oft kleinmütige internationale Rolle zurückziehen. Im Juli übernimmt Deutschland den Vorsitz des Uno-Sicherheitsrats. Es ist eine Position, um die Berlin vor einem Jahr gekämpft hat. Es wird im Sicherheitsrat eine weitere Resolution geben, diesmal zu Syrien. Deutschland wiederum will, dass die USA sich wieder stärker im Nahost-Friedensprozess engagieren. Obama hat bisher nicht den Einsatz gezeigt, den Berlin sich wünscht. Wer aber viel fordert, der muss auch viel liefern. Die Freiheitsmedaille ist für Merkel Verpflichtung.