Viele Unternehmen, vor allem in der Zeitarbeitsbranche, sorgen sich bei ihren Ausbauplänen aber um genug qualifiziertes Personal.

Hamburg. Die Aussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt könnten besser kaum sein, rund 400 000 neue Jobs sollen laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag in den kommenden zwölf Monaten in Deutschland entstehen. Doch zugleich sorgen sich die Unternehmen darum, ob ihnen für ihre Ausbaupläne genug qualifiziertes Personal zu Verfügung stehen wird. "Das Beschäftigungsplus könnte sogar noch größer sein, wenn bei vielen Stellenbesetzungen Fachkräfteengpässe nicht bereits heute den Betrieben einen Strich durch die Rechnung machen würden", sagte DIHK-Präsident Driftmann dem Hamburger Abendblatt.

Betroffen sind laut DIHK-Konjunkturumfrage vor allem die Firmen in der Zeitarbeitsbranche. 77 Prozent der dort Befragten sehen im Fachkräftemangel eine Gefahr für den jungen Aufschwung. In der IT-Branche sieht jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als Risiko für seine Geschäftsentwicklung, in der Gesundheitswirtschaft 43 Prozent und bei den Maschinenbauern sind es noch 39 Prozent.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, macht für die befürchtete Personalknappheit die Bundesregierung verantwortlich. Sie verschärfe den derzeitigen Fachkräftemangel sogar noch. "Die Kürzung in der aktiven Arbeitsmarktpolitik und bei Bildungsmaßnahmen vertieft die Spaltung des Arbeitsmarktes", sagte Heil dem Abendblatt. "Die Fehlentscheidungen von Frau von der Leyen haben zur Folge, dass künftig immer mehr Unternehmen händeringend Fachkräfte suchen, auf der anderen Seite aber viel zu viele Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit abgehängt sind."

Ähnliche Kritik äußerte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Richtung der Unternehmen. "Entscheidend ist jetzt, dass der Aufschwung genutzt wird, endlich die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden", sagte die Gewerkschafterin dem Abendblatt. "Was wir brauchen, sind gute, angemessen bezahlte sowie sichere Arbeitsplätze und nicht noch mehr prekäre Jobs." Wenn die Arbeitgeber einen Mangel an Fachkräften fürchteten, dann müssten sie sich bei der Aus- und Weiterbildung und bei der Herstellung guter Arbeitsbedingungen stärker engagieren. "Außerdem sollten sie sich gemeinsam mit den Gewerkschaften gegen die Kürzungen der Bundesregierung bei Weiterbildung und Qualifizierung stemmen", forderte Buntenbach.

Die Linke zeigte sich zurückhaltend angesichts der DIHK-Prognose: "Bestünden die 400 000 Jobs größtenteils nur aus Minijobs, wäre die Statistik verfälscht, und keiner könnte davon leben", sagte Parteichefin Gesine Lötzsch dem Abendblatt. Deutschland sei Rekordhalter im Lohndumping in Europa und brauche daher Normalarbeitsverhältnisse mit guten Löhnen, von denen Familien leben könnten. "Statt auf Masse sollten wir mehr auf Klasse schauen", schlug Lötzsch vor.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Karl Schiewerling (CDU), wertete die positive Einschätzung der DIHK dagegen als Bestätigung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von CDU und CSU. Die Prognose belege auch die Anstrengungen, die die Union gegen den Fachkräftemangel unternommen habe und weiterhin unternehme. Angesichts des Fachkräftemangels gehe es jetzt darum, die Potenziale von Erwerbsfähigen besser zu nutzen, zum Beispiel durch eine weitere Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen. "In einem zweiten Schritt sollten wir über qualifizierte Zuwanderung nachdenken", fügt Schiewerling hinzu. Grundsätzlich sieht aber auch der CDU-Politiker die Unternehmen in der Verantwortung für den Kampf gegen den Fachkräftemangel. "Bei dem Aspekt der Aus- und Weiterbildung ist auch ein Engagement der Wirtschaft gefragt", sagte Schiewerling dem Abendblatt.

Von den positiven Aussichten auf dem Arbeitsmarkt profitiert auch Hamburg. Erstmals in diesem Jahr liegt die Zahl der Erwerbslosen mit rund 73 000 unter der Acht-Prozent-Marke. Die Hamburger Arbeitsagentur geht von anhaltend guten Zahlen aus. Bis zum Winter könnten der Behörde zufolge bis zu 7000 weitere Personen einen Job finden.