Auf ihrem Weg zur Regierungskonsultation nach Neu-Delhi musste ihre Maschine zunächst umkehren. Der Iran untersagte den Überflug

Hamburg/Neu-Delhi. Auch für weitgereiste Politikerinnen wie die Bundeskanzlerin gibt es immer wieder Premieren: Angela Merkel ist am Dienstag auf dem Weg zu Regierungskonsultationen nach Indien der Überflug über den Iran zunächst verweigert worden. Teheran schickte ihre Regierungsmaschine zurück in die Türkei. Angeblich habe der Airbus der Kanzlerin für den Flug keine Genehmigung gehabt, was die Bundesregierung bestreitet. Natürlich seien die Flugdaten mitgeteilt und eine Genehmigung erteilt worden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Auswärtige Amt (AA) bestellte den iranischen Botschafter in Berlin, Ali Reza Scheich Attar, ein. Er begründete das Überflugverbot mit "technisch-organisatorischen Abläufen".

Zur Einbestellung des iranischen Botschafters erklärte Merkel: "Es geht jetzt erst einmal überhaupt nicht um Verärgerung, sondern um Erklärung." Es sei vernünftig, nach der Ursache für das Verhalten zu fragen. Deutschland gehört zu den schärfsten Kritikern des Irans wegen dessen Atomprogramms und Aggressionen gegen Israel. Das Flugzeug der Kanzlerin - eine neue größere und komfortablere Maschine mit dem Namen "Konrad Adenauer" - musste auf seinem Jungfernflug mit einer großen Delegation in der Nacht kurz nach dem Einfliegen in den iranischen Luftraum auf Weisung iranischer Behörden wieder abdrehen und kreiste dann zwei Stunden lang über der Türkei. Eine zweite deutsche Regierungsmaschine, in der Bundesminister und Staatssekretäre zu den ersten deutsch-indischen Regierungskonsultationen reisten, kam ohne Probleme durch.

Erst unter Vermittlung der Türkei sowie Beteiligung des Auswärtigen Amtes in Rücksprache mit dem nachts in Berlin geweckten iranischen Botschafter habe Teheran den Weiterflug erlaubt. Quasi in letzter Minute, denn sonst hätte der neue Airbus A340 Ankara angesteuert, weil bei weiteren Schleifen über der Türkei für einen Weiterflug bis Neu-Delhi der Sprit nicht gereicht hätte.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) protestierte gegen das iranische Vorgehen. Zum Auftakt seines Besuches in Australien sprach er von einem "Verstoß gegen alle internationalen Gepflogenheiten" und einer "Respektlosigkeit gegenüber Deutschland, die wir nicht hinnehmen können". Sein Staatssekretär Wolf-Ruthart Born unterstrich, es habe eine Überflug-Genehmigung vorgelegen. Deswegen handele es sich um einen "präzedenzlosen Vorfall".

Merkel, die mit gut zwei Stunden Verspätung schließlich in der indischen Hauptstadt ankam, sagte: "So etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Piloten auch nicht." Sie versuchte aber, den Eklat zu entschärfen und die deutsch-indischen Konsultationen davon nicht überlagern zu lassen. "Für mich zählt, dass ich hier angekommen bin", sagte sie in Neu-Delhi. Es ist ihr zweiter Indien-Besuch nach 2007. Die Kanzlerin ging dann auch zügig ihrer politischen Arbeit in der indischen Hauptstadt nach. Die aufstrebende Wirtschaftsmacht mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern gilt schließlich als wichtiger Zukunftsmarkt, aber auch als ein strategischer Partner auf internationaler Ebene. Sie mahnte, Indien als einem der "ganz wichtigen und ganz großen" Schwellenländer dieser Welt gebührende Bedeutung zuzumessen. Premierminister Manmohan Singh nannte Merkel "eine leidenschaftliche Verfechterin unserer strategischen Partnerschaft". Am Abend erhielt Merkel den Jawaharlal-Nehru-Preis für internationale Verständigung, eine der renommiertesten Auszeichnungen des Landes.

Die beiden Regierungen stellten ihre nun 60 Jahre währenden diplomatischen Beziehungen mit den Konsultationen auf eine neue Stufe. Indien ist nach Israel das erste außereuropäische Land, mit dem Deutschland zu solchen Treffen zusammenkommt. Im Sommer soll ein entsprechender Austausch mit China folgen.

Zur Energiepolitik erklärte Merkel, die am Vortag den deutschen Atomausstieg bis 2022 verkündet hatte, die Bundesrepublik dringe international auf sehr gute Sicherheitsstandards der Atomkraftwerke. Singh sagte, angesichts des Wirtschaftswachstums von mehr als acht Prozent jährlich müsse Indien auch auf Atomkraft bauen. Die Kapazität der Atomkraftwerke solle von derzeit weniger als fünf Gigawatt bis zum Jahr 2020 auf 20 Gigawatt vervierfacht werden. In Deutschland hat die Atomkraft derzeit einen Anteil von 20 Gigawatt der insgesamt rund 90 Gigawatt gesicherten Energieleistung.

Außerdem wollen beide Länder bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus künftig stärker zusammenarbeiten. Merkel sprach sich erneut für eine politische Lösung in Afghanistan aus. Die Herausforderungen in Afghanistan seien "ernst", sagte sie. Deutschland richtet Ende des Jahres die nächste Afghanistan-Konferenz aus, die sich auch mit einem möglichen Friedensabkommen zwischen den aufständischen Taliban und der Regierung befassen will. Afghanistan brauche eine "unabhängige Sicherheitsarchitektur", um künftig gegen Terrorismus geschützt zu sein, sagte Merkel.

Singh erklärte, Terrorismus müsse "an allen Fronten" bekämpft werden. In Indien wächst die Sorge, dass Afghanistan nach Abzug der Nato-Truppen zu stark unter den politischen Einfluss Pakistans gelangen könnte. Die beiden verfeindeten Nachbarn haben sich in den 90er-Jahren einen Stellvertreterkrieg in Afghanistan geliefert. Indien sieht eine Beteiligung der Taliban an der afghanischen Regierung kritisch. Die Nato will bereits in einem Monat mit dem stufenweisen Abzug der Truppen vom Hindukusch beginnen, der bis 2014 abgeschlossen sein soll.