Beim European-Israeli Dialogue fordern Außen- und Innenminister nach den Unruhen im Nahen Osten eine Stärkung der politischen Beziehungen.

Berlin. Die Umwälzungen im Nahen Osten werfen ein neues Licht auf das Verhältnis Israels zu seinen arabischen Nachbarn. Welche Rolle das Land in diesen Zeiten einnehmen sollte, gehörte zu den intensiv diskutierten Fragen, mit denen sich die Teilnehmer des elften European-Israeli Dialogue gestern Abend im Berliner Axel-Springer-Haus auseinandersetzten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte vor einer zunehmenden Instabilität in der arabischen Welt, die zu einer Gefahr für den Staat werden könnte. "Israel braucht jetzt seine Freunde in dieser Zeit", forderte der Minister. Man müsse jetzt klare Signale der Solidarität senden. Friedrich räumte ein, dass es innerhalb der Europäischen Union keine geschlossene Haltung in der Nahost-Frage gebe. Vielmehr sei Europa weit davon entfernt. "Wir brauchen einen gemeinsamen europäischen Standpunkt gegenüber Israel", so der Innenminister weiter.

Ein Staatsgipfel hätte kaum hochkarätiger besetzt sein können: Amtierende und ehemalige Außenminister, mehrere Mitglieder der Bundesregierung, Botschafter, Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter und Journalisten diskutierten im Ernst-Cramer-Saal im 19. Stock des Verlagshauses über die europäisch-israelischen Beziehungen und die Rolle des Islam im Nahen Osten. Gastgeber des Dialogs sind seit 1999 die Axel Springer AG und das Institute for Strategic Dialogue. Das Treffen gehört zu den renommiertesten Veranstaltungen, die sich mit dem Verhältnis zwischen Europa und Israel und dem Nahost-Friedensprozess beschäftigen. Und diesmal brachte die historische Situation in der arabischen Welt eine ganz besondere Spannung in die Debatten.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, wies auf die derzeit besondere Notwendigkeit fruchtbarer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen Europa und Israel hin: "Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten ist ein gemeinsamer europäisch-israelischer Gedankenaustausch wichtiger denn je. Schließlich haben beide Regionen gemeinsame wirtschaftliche, außen- und sicherheitspolitische Interessen."

Israels stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister Avigdor Lieberman sagte: "Das moderne Europa ist ein wichtiger Partner des Staates Israel in den Bereichen Handel, Wissenschaft und Kultur. Deutschland und Israel haben besondere Beziehungen, die vor dem schrecklichen Hintergrund der Schoah gewachsen sind. Heute sind wir Bündnispartner und uns verbindet eine tiefe Freundschaft." Außenminister Guido Westerwelle (FDP) setzte sich für eine weitere Intensivierung der Beziehungen ein. "Die Freundschaft und enge Partnerschaft mit Israel ist und bleibt eine Grundkonstante deutscher Außenpolitik", sagte Westerwelle. Der Ausbau dieser Partnerschaft sei für ihn eine Herzensangelegenheit. "Foren wie der European-Israeli Dialogue erfüllen unsere Freundschaft mit Leben", sagte Westerwelle weiter.

Lord George Weidenfeld, Präsident des Institute for Strategic Dialogue, machte deutlich: "Derzeit wissen wir noch gar nicht, wie sich der Nahe Osten langfristig entwickeln wird. Eine gemeinsame europäisch-israelische Haltung kann die jungen Demokratiebewegungen in der Region stärken und so zur Stabilität beitragen."

Ein Gedanke, den auch der Innenminister aufgriff. Er habe bei seiner Israel-Reise in der vergangenen Woche aus den dortigen Gesprächen mitgenommen, dass die Umbrüche in der arabischen Welt aus israelischer Sicht den Beginn eines Prozesses darstellen, dessen Dauer und Ausgang offen seien, betonte Friedrich. In Israel sei man sich bewusst, dass solche Veränderungen auch eine Phase der Instabilität mit sich bringen, die auch Auswirkungen auf die Beziehungen zu anderen Ländern haben könnte. Sorge bestehe, dass hierbei auch radikale, islamistische Strömungen an die Macht gelangen könnten, deren Ideologie von antisemitischen und antijüdischen Elementen durchzogen sei und die offen die Zerstörung des Staates Israel propagierten. Der israelische Brigadegeneral Yosef Kuperwasser gab zu bedenken, dass die arabische Revolution zu einer Radikalisierung führen könne. "Wir haben große Sorge, dass der Prozess negativ endet", sagte Kuperwasser. Es sei überhaupt nicht klar, dass sich die arabische Welt demokratisiere. Der deutsch-ägyptische Autor Hamed Abdel-Samad warnte: "Bewegung heißt nicht gleich Entwicklung." Er forderte eine Art Marshallplan, der seiner Ansicht nach allein einen Frieden in der Region mit Israel sicherstellen könne.

Historiker Michael Wolffsohn von der Universität der Bundeswehr München zeichnete wiederum ein düsteres Bild von der Stimmung der deutschen Bevölkerung gegenüber Israel. Die öffentliche Meinung über Israel bleibe beständig negativ. Er warf die Frage auf, ob eines Tages eine deutsche Regierung die enge Partnerschaft zu Israel aufgebe, um der öffentlichen Meinung nachzugeben. Anatoly Natan Sharansky, ehemaliger Vize-Premier Israels und Menschenrechtsaktivist, stellte fest: Mitunter sei sich das liberale Europa mit der radikalen islamischen Welt in der Ablehnung Israels einig. Auch Innenminister Friedrich musste feststellen, dass zwar in Deutschland antisemitistische Aktivitäten zurückgegangen seien, aber dass es immer noch viel Ignoranz und wenig Wissen über ein Land gebe, in dem die Menschen jeden Tag mit der Bedrohung von Selbstmordanschlägen lebten. Europa habe eine Pflicht und Verantwortung, gegen Antisemitismus vorzugehen. "Wir müssen klarmachen, dass wir eine freie und tolerante Gesellschaft anbieten, aber dass wir auch erwarten, dass sich alle an Freiheit und Toleranz halten."