Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki skizziert im Abendblatt-Interview die FDP unter ihrem neuen Vorsitzenden

Berlin. Wolfgang Kubicki genießt einen Ruf als Provokateur. Zumindest scheut er keine klaren Worte, wenn es um den Zustand der Liberalen geht.

Hamburger Abendblatt:

Sie haben immer wieder gesagt, Westerwelle sei nicht das Problem der FDP. Warum muss er trotzdem gehen?

Wolfgang Kubicki:

Er ist nur Teil des Problems. Viele Menschen sind enttäuscht, weil wir unsere Wahlversprechen nicht gehalten haben, Stichwort Steuersenkungen. Wir haben uns in der Koalition bisher nicht einmal auf Steuervereinfachungen verständigen können, weil Finanzminister Schäuble erfolgreich blockiert hat.

Ist es gut, dass Westerwelle Außenminister bleibt?

Kubicki:

Er ist in den vergangenen Monaten in dem Amt erheblich gewachsen. Guido Westerwelle genießt im Ausland ein deutlich höheres Ansehen als in Deutschland. Ich bin sicher: Es wird ihm gelingen, unser Land weiter erfolgreich zu repräsentieren.

Philipp Rösler soll FDP-Chef und Vizekanzler werden. Was kann er, was Westerwelle nicht kann?

Kubicki:

Es ist nicht die Frage, was der eine kann und der andere nicht. Philipp Rösler kommuniziert völlig anders. Und er hat ein anderes Auftreten. Philipp Rösler gehört als Arzt einem Helferberuf an und hat einen völlig anderen Zugang zu sozialen Fragen, als Guido Westerwelle je hätte haben können.

Kann man mit dem Verliererressort Gesundheit ein erfolgreicher Parteivorsitzender sein?

Kubicki:

Das Gesundheitsressort ist kein Verliererressort.

Ulla Schmidt, Röslers Vorgängerin, hat es so formuliert: Als Gesundheitsminister hat man immer die Torte im Gesicht.

Kubicki:

Das mag für Frau Schmidt gestimmt haben. Wenn es Philipp Rösler gelingt, im Gesundheitswesen die Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren, hat er viel mehr geleistet als jeder Gesundheitsminister vor ihm. Ich traue ihm das zu. Im Übrigen: Souveränität gewinnt man nicht aus dem Amt, sondern nur als Person.

Begegnet Rösler der Kanzlerin auf Augenhöhe?

Kubicki:

Das wird er tun - auch wenn er mit leiseren Tönen daherkommt als andere. Er setzt nicht weniger durch als die Lautsprecher dieser Republik.

Kann er mit seinem Stil auch Seehofers CSU in Schach halten?

Kubicki:

Das traue ich Philipp Rösler und vor allem auch Christian Lindner zu, der als Generalsekretär im Amt bleiben wird. Herr Seehofer und Herr Söder werden die intelligente Ironie, mit der die beiden formulieren können, noch zu spüren bekommen.

Rückt die FDP jetzt weiter nach links?

Kubicki:

Ach was! Wir werden nicht grüner als die Grünen und roter als die Roten werden können, ohne einen wesentlichen Teil unserer Anhängerschaft zu verlieren. Es geht nicht darum, die soziale Marktwirtschaft neu zu erfinden.

Werden Koalitionen mit der SPD wieder möglich?

Kubicki:

Das hängt auch davon ab, wie die SPD sich entwickelt. In Schleswig-Holstein arbeiten wir mit der Union sehr erfolgreich, aber ich bin dafür, dass man sich im Bund koalitionspolitisch nicht weiterhin auf die Union verengt.

Rösler kommt, Westerwelle geht. Reicht das für einen Neubeginn?

Kubicki:

Ein kompletter Enthauptungsschlag hätte weder der Partei noch der Koalition gutgetan. Neu und jung allein ist kein Qualitätsmerkmal. Erfahrung ist auch ein wichtiges Gut. Allerdings hoffe ich weiterhin, dass es auch Veränderungen an der Spitze der Bundestagsfraktion geben wird. Aber das muss letztlich die Fraktion selbst entscheiden.