Britische Elitetruppen und amerikanische Geheimagenten sind längst in Libyen gegen das Regime im Einsatz

Hamburg. Der Feldzug der Nato-geführten Staaten gegen die Armee des libyschen Diktators Mummar al-Gaddafi findet längst nicht mehr nur in der Luft statt. Wie amerikanische Regierungskreise in Washington gestern bestätigten, sind in Libyen Agenten des Geheimdienstes CIA im Einsatz.

Ihre genaue Rolle ist nicht bekannt, es wird jedoch vermutet, dass sie unter anderem militärische Analysen vornehmen, um die US-Regierung bei ihrem weiteren militärischen Vorgehen besser beraten zu können. Wie aus Washington verlautete, sollen erste Analysen ergeben haben, dass die libyschen Rebellen ohne westliche Unterstützung keine Chance haben, gegen die Truppen Gaddafis zu bestehen.

Nach britischen Medienberichten sollen Soldaten des Special Boat Service der Marine in Libyen aktiv sein, ferner die Elite-Aufklärungseinheit Special Reconnaissance Regiment. Zudem seien schon seit Wochen Hunderte Soldaten der legendären Eliteeinheit Special Air Service (SAS) in Libyen im Einsatz. Es soll sich um zwei speziell trainierte Einheiten mit dem Codenamen "Smash" handeln. Das englische Wort bedeutet "zerschlagen" und steht für die destruktiven Fähigkeiten der britischen Elitesoldaten. Sie sollen vor allem die Standorte der von Gaddafi sorgfältig verborgenen Luftabwehrraketen des russischen Typs S-200 ("SAM-5 Gammon") ausfindig machen und diese dann zerstören. Die Raketen, die Flugzeuge in fast 300 Kilometer Entfernung abfangen können, sind eine Bedrohung für die über Libyen operierenden Nato-Kampfjets. Ferner haben Gaddafis Truppen tragbare Luftabwehrraketen des Typs "Strela-2", der bei der Nato "SAM-7 Grail" heißt. Diese Raketen sind extrem gefährlich, da sie überall eingesetzt werden können.

Die libysche Armee ist angesichts der alliierten Luftangriffe zu einer neuen Taktik übergegangen: Sie verwendet bei ihren Operationen zunehmend zivile statt militärischer Fahrzeuge als Transportmittel. Das erschwert den alliierten Bomberpiloten, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden.

Schon jetzt soll es bei den alliierten Einsätzen zu Verlusten an Zivilisten gekommen sein. Der Vatikan hat schwere Vorwürfe gegen die westlichen Streitkräfte erhoben. Wie der Apostolische Vikar von Tripolis, Giovanni Innozenzo Martinelli, der katholischen Nachrichtenagentur Fides sagte, hätten "die sogenannten humanitären Angriffe Dutzende Zivilisten in einigen Vierteln von Tripolis getötet". Martinelli sprach von mindestens 40 Zivilisten, die beim Einsturz eines Gebäudes im Stadtteil Buslim in Tripolis nach einem alliierten Luftangriff ums Leben gekommen seien. Vertreter libyscher Behörden haben ausländische Journalisten zu entsprechenden Orten geführt. Die Nato, die nun offiziell das Kommando über die Militäreinsätze in Libyen hat, erklärte, man werde die Vorwürfe überprüfen. Chinas Staatspräsident Hu Jintao sagte in Peking gegenüber seinem Staatsgast, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, "wenn die Militäroperation Unglück über unschuldige Menschen bringt und eine noch größere Krise auslöst, dann steht dies im Gegensatz zum ursprünglichen Ziel der Uno-Resolution". Hu forderte noch einmal einen sofortigen Waffenstillstand.

Nach Schätzungen der britischen Regierung sind bislang bei den Kämpfen zwischen den Truppen Gaddafis und bewaffneten Rebellen rund 1000 Menschen ums Leben gekommen. Der Aufstand gegen Gaddafi habe faktisch zu einer Spaltung des nordafrikanischen Landes geführt.

Der britische Geheimdienst erhofft sich nähere Informationen über die Lage in Libyen von dessen geflohenem Außenminister Mussa Kussa. Der langjährige Gefolgsmann von Gaddafi hat sich nach London abgesetzt. Außenminister William Hague betonte, Kussa genieße in Großbritannien keine diplomatische Immunität. Es wird zu klären sein, ob Kussa für Straftaten verantwortlich ist. Unklar ist zum Beispiel seine Rolle beim Terroranschlag von Lockerbie 1988 mit 270 Toten.

Während die Rebellen militärisch weiter in Bedrängnis sind, führen sie bereits eine Debatte darüber, wie Libyen nach einem Sturz des Gaddafi-Regimes politisch aussehen soll. Ein Teil der Aufständischen strebt eine Demokratisierung des Landes an, ein anderer Teil jedoch will aus Libyen einen islamischen Gottesstaat machen.