Berlin. Kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag sorgt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für Wirbel. In einer vertraulichen Runde mit fast 40 Top-Managern beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) soll der Minister laut einem jetzt bekannt gewordenen Protokoll die Atom-Wende der schwarz-gelben Bundesregierung als Wahlkampftaktik erklärt haben. Bislang hatte die Koalition entsprechende Vorwürfe der Opposition bestritten.

Drei Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Japan und der Havarie des Kernkraftwerks Fukushima hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein dreimonatiges Moratorium für die Verlängerung der Atomlaufzeiten verhängt und einen Stopp der sieben ältesten Meiler verfügt. Dem Protokoll zufolge, das der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt wurde, soll Brüderle vor den Wirtschaftsvertretern gesagt haben, "dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien".

Brüderle wies die Mitschrift umgehend als falsch zurück. Auch BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf, Ex-Umweltminister der CSU in Bayern, sprach von einem "Protokollfehler". Die Opposition sah sich durch den Vorfall bestätigt. "Narrenmund tut Wahrheit kund", sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber.