Berlin. EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat Stresstests für alle Kernkraftwerke in Europa angekündigt. Es habe auf der von ihm einberufenen Krisensitzung mit Vertretern der Industrie und der Mitgliedstaaten eine "einvernehmliche Zustimmung" zu den Stresstests gegeben. Die Tests würden auf freiwillig, aber nach allgemein anerkannten Regeln und unter Aufsicht unabhängiger Experten durchgeführt. Als Zeitrahmen nannte Oettinger dieses Jahr.

Die Kriterien für die Tests werden in den kommenden Wochen erarbeitet. Er machte klar, dass bei einem Durchfallen bei den Tests Reaktoren abgeschaltet werden müssten. Doch derzeit hat die EU keine rechtliche Handhabe, um Kraftwerke zu schließen.

Das AKW-Unglück in Japan werfe die Frage auf, ob "wir in Europa in absehbarer Zeit ohne Kernkraft unseren Strombedarf sichern" können, sagte Oettinger gestern in der ARD. Der EU-Politiker stellte auch die Frage, ob die EU gemeinsam mit den USA, China und Russland Konsequenzen aus dem Unglück ziehen müsse.

Noch im Herbst hatte Oettinger in Brüssel seine Energiestrategie vorgestellt. Damals wollte er die Kernkraft als wichtigen Pfeiler der europäischen Energieversorgung unbedingt erhalten. Wegen eines "neu erwachten Interesses in Europa" müsse ihr Potenzial "offen und objektiv" bewertet werden.

Neben Frankreich, das 80 Prozent seines Stroms aus der Kernkraft bezieht, weiten zahlreiche EU-Staaten ihre Atom-Ambitionen aus. In Brüssel wurde bis gestern diskutiert, ob die Orientierung für die durchschnittlichen Meiler-Laufzeiten nicht auf 60 Jahre ausgeweitet werden solle.