Experten fordern stärkere Hilfen im Kampf gegen die Lese- und Schreibschwäche

Für Deutschland ist es ein Rückschlag im Kampf gegen den Analphabetismus. Dabei hatte sich die Bundesregierung im Rahmen der Weltalphabetisierungsdekade der Vereinten Nationen das Ziel gesetzt, die Anzahl der Menschen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, bis 2012 zu halbieren. Experten waren bisher davon ausgegangen, dass die Zahl der Analphabeten in Deutschland bei etwa vier Millionen Menschen liegt. Doch nach einer Studie der Universität Hamburg können rund 7,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren nicht richtig lesen und schreiben. Sie gelten in der Wissenschaft als sogenannte funktionale Analphabeten, denn sie nehmen nicht im vollen Maße am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teil.

Von einer Halbierung der Zahl der Analphabeten bis zum kommenden Jahr ist Deutschland weit entfernt. Experten sehen jetzt vor allem die Aufgabe der Politik darin, die Betroffenen auf die Hilfsangebote aufmerksam zu machen. "Entscheidend für den Kampf gegen Analphabetismus ist eine Sensibilisierung für das Problem bei denjenigen, die in Arbeitsämtern, Arztpraxen oder in der Schule mit den Betroffenen zu tun haben", sagt Ulrike Hanemann vom Unesco-Institut für Lebenslanges Lernen, das nahe der Universität Hamburg liegt.

Das Bildungsministerium investiert von 2007 bis 2012 etwa 30 Millionen Euro für die Forschung zur Alphabetisierung und Grundbildung. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hob bei der Vorstellung der Studie hervor, Bildungspolitik müsse sich jetzt verstärkt mit dem Erhalt und dem Ausbau erworbener Kenntnisse und Kompetenzen in allen Schulformen beschäftigen.

Der Bildungsexperte der SPD, Ernst Dieter Rossmann, kritisierte im Hamburger Abendblatt, dass die Regierung es bei den vergangenen Haushaltsplanungen verpasst habe, zusätzlich mindestens zehn Millionen Euro in die Alphabetisierung zu investieren. Die Finanzierung der Kursangebote für Erwachsene beispielsweise in den Volkshochschulen liegt bisher bei den Ländern und Kommunen - der Eigenanteil der Teilnehmer für die Kurse bei bis zu 70 Prozent. Für die Präsidentin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, Rita Süssmuth (CDU), ist das zu viel. Es sei notwendig, dass die Länder zusätzliches Geld für ein Kursusangebot bei den Volkshochschulen und anderen Trägern bereitstellten, sagte sie bei der Vorstellung der Studie.