Lammert fordert Abschaffung der Ehelosigkeit von Priestern und fordert deutschen Sonderweg

Vatikanstadt/Berlin. Der neue Präfekt der vatikanischen Kleruskongregation, Kardinal Mauro Piacenza, hat die Ehelosigkeit von Priestern verteidigt. Die Kirche schreibe jungen Männern diese Lebensform nicht vor, es handele sich vielmehr um den "freien Empfang eines übernatürlichen Charismas", heißt es in einem von der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" veröffentlichten Vortrag Piacenzas. Dieses Charisma werde von niemandem auferlegt, und dies sei auch gar nicht möglich, betont der vatikanische Verantwortliche für die Priester der Weltkirche. Die Ehelosigkeit Jesu sei das Vorbild für den Zölibat. Priester ahmten Christus mit dieser Lebensform nach und seien dadurch frei und unabhängig.

Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) seine Kritik am Zölibat verschärft. "Wer eisern am überkommenen Pflichtzölibat festhält, führt die Gemeinden sehenden Auges in den seelsorgerischen Notstand", schrieb Lammert in der "Zeit". Er erinnerte an den Priestermangel in Deutschland: 1960 seien knapp 15 500 Geistliche in der Pfarrseelsorge tätig gewesen, derzeit seien es 8500. Gerade noch 150 Männer hätten im Vorjahr katholische Priester werden wollen.

"Die katholische Kirche muss neue Wege in der Seelsorge einschlagen", sagte der Leiter der Katholischen Akademie in Hamburg, Stephan Loos, dem Abendblatt, nicht nur wegen sinkender Priesterzahlen, "auch aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und Lebensweisen".

Lammert bekräftigte seinen Vorschlag, Verheirateten den Weg zum Priesterberuf zu öffnen. Die deutschen Bischöfe sollten die Zulassung von bestimmten verheirateten Männern zur Priesterweihe zu ihrem Anliegen machen. Gegebenenfalls sollte auch eine Ausnahmeregelung für Deutschland geprüft werden.

Der deutsche Kardinal Walter Brandmüller lehnte die Forderung und stellte die Berechtigung der Politiker infrage, sich zu diesem Thema zu äußern, "das Sie weder von Amts wegen noch persönlich betrifft?". Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff wies zudem die Forderung nach einem deutschen Sonderweg zurück.

Vor Kurzem hatten Lammert, Bundesbildungsministerin Annette Schavan sowie die früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel, Erwin Teufel und Dieter Althaus (alle CDU) die deutschen Bischöfe aufgefordert, sich in Rom für eine Priesterweihe von "Viri probati", also "erprobten" verheirateten Männern, einzusetzen.