Prof. Dr. Thomas Sternberg, 58, ist kulturpolitischer Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Hamburger Abendblatt:

1. Sehen Sie es auch als Kampagne an, wie Kardinal Brandmüller meint, wenn sich katholische Politiker aus Deutschland für die Priesterweihe verheirateter Männer ("Viri probati") einsetzen?

Prof. Sternberg:

Wenn sich eine Gruppe von Katholiken aus Sorge über die Zukunft der Seelsorge einen Vorschlag in Erinnerung rufen, der nicht neu ist, zeugt das eher von Verantwortungsbewusstsein als von einer Kampagne. Zudem hat kein Geringerer als Papst Benedikt selbst 1970 den Vorschlag gemacht, "bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern zu weihen".

2. Im vergangenen Jahr wollten nur 150 Männer in Deutschland Priester werden. Muss die Kirche neue Wege in der Seelsorge gehen?

Sternberg:

Der Priestermangel nimmt so bedrohliche Formen an, dass neue Wege unumgänglich sind. Ich bin sicher, dass wir auch in Zukunft in unseren Gemeinden Priester für die Gottesdienste, die Feier der Sakramente und die Seelsorge brauchen. Gerade die Messfeier ist für Katholiken "Quelle und Gipfel" des christlichen Lebens.

3. Die Idee der "Viri probati" wurde vor 50 Jahren im Zweiten Vatikanischen Konzil neu belebt. Warum ist seitdem so wenig passiert?

Sternberg:

Das gehört für mich zu den schwer verständlichen Entwicklungen in der Kirche. Das Konzil hat die Verpflichtung zum Zölibat gelockert, um verheirateten Männern den Weg zum Diakonat zu ermöglichen. Es gibt auch konvertierte Theologen, die als Ehemann und Vater Priester sind.

4. Gibt es finanzielle Gründe, die die Kirche hindern, neue Wege ins Priestertum zu öffnen?

Sternberg:

Das kann ich mir nicht vorstellen, weil wir ja eine Fülle kirchlicher Mitarbeiter haben. Auf fünf Priester kommen vier angestellte Mitarbeiter in der Seelsorge - als Pastoralreferenten/-assistenten, Männer wie Frauen.

5. Wäre eine Ausnahmeregelung vom Zölibat in Europa oder in Deutschland denkbar?

Sternberg:

Ich bin kein Kirchenrechtler, kann mir aber gut vorstellen, dass in einer Frage, für die weder eindeutige dogmatische noch Traditionsargumente gelten, Sonderregelungen für Europa oder Afrika, wo das Problem nicht geringer ist, getroffen werden könnten.