Bundeskabinett billigt Aktionsplan der Landwirtschaftsministerin gegen Futtermittelpanscherei. Niedersächsische Regierung lehnt Agrarwende ab

Berlin. Nun soll Schluss ein, Schluss mit dieser schier nicht endenden Flut von Vorwürfen gegen ihre Person. Tagelang hat sich Bundeslandwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner im Skandal um Dioxin-belastetes Futtermittel zurückgehalten. Mit eiserner Geduld wies die CSU-Politikerin immer wieder darauf hin, dass sie nicht in die Kompetenzen der Länder eingreifen könne, in deren Zuständigkeitsbereiche sich die Vorfälle abgespielt hätten. Es half nichts: "UngeAignert" sei sie, warf ihr die "Bild"-Zeitung vor, viele Medien schlossen sich dieser Meinung an. Inzwischen sind viele deutsche Verbraucher davon überzeugt, dass die Frau aus Bayern sie entgegen ihrer Amtsbezeichnung nicht schützen kann.

Wie aus einer Forsa-Umfrage für den "Stern" hervorgeht, ist die Hälfte der Deutschen nicht mit Aigners Arbeit im Dioxin-Skandal zufrieden. 38 Prozent der Befragten nannten ihre Arbeit weniger gut, zwölf Prozent bewerteten sie als schlecht. Nur ein Drittel der Bundesbürger fand Aigners Leistung gut.

Doch jetzt wehrt sich Aigner gegen die Kritik der Öffentlichkeit und der Opposition. Von Anfang an habe sie die Lage ernst genommen und dabei Sicherheit und Gründlichkeit vor Schnelligkeit walten lassen, verteidigte sich die Ministerin gestern in einer Regierungserklärung. So habe sie einen Krisenstab und ein Bürgertelefon eingerichtet, sich mit der EU abgestimmt und sich um die internationalen Märkte gekümmert. Parallel habe sie an Konsequenzen gearbeitet, damit sich ein solcher Fall nicht wiederhole. "Das ist ein solides Vorgehen und das Gegenteil von blindem Aktionismus", sagt Aigner.

Zugleich ging sie in scharfer Form die schwarzen Schafe in der Futtermittelindustrie an. "Die Täter waren und sind skrupellos", unterstrich Aigner. "Was zur Produktion von Schmiermitteln taugt, ist in die Nahrungskette gelangt." Dies sei ein echter Skandal. "Aus meiner Sicht besteht Grund zur Annahme, dass wir es mit einem hohen Maß an krimineller Energie zu tun haben."

Auch inhaltlich hatte die Agrar- und Verbraucherschutzministerin etwas zu bieten: Gerade erst hatte das Kabinett ihren Aktionsplan gebilligt, mit dem sie die Sicherheit in der Lebensmittelwirtschaft verbessern will. Ihr ursprünglicher Zehn-Punkte-Plan war auf Anregung der Länder auf 14 Punkte erweitert worden. Er beinhaltet unter anderem eine Meldepflicht bei Grenzwertüberschreitungen, eine Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe, verbesserte Kontrollen der Länder sowie härtere Strafen für panschende Futtermittelhersteller.

Die Opposition zeigte sich von all dem unbeeindruckt. Sie warf Aigner schwere Versäumnisse im Dioxin- Skandal vor. "Sie müssen zum Jagen getragen werden. Sie haben erst zögerlich agiert. Dann verfallen sie in Aktionismus", sagte der Fraktionsvize der Linken, Dietmar Bartsch, gestern. Auch Aigners Agieren habe das Vertrauen in sichere Lebensmittel erschüttert. Der SPD-Agrarpolitiker Wilhelm Priesmeier hielt der CSU-Politikerin vor, die Lage falsch beurteilt zu haben. Auch ihre Kommunikation nach außen sei mangelhaft gewesen.

Laut Aigner sind von den rund 4760 Betrieben, die gesperrt worden waren, weiterhin 931 geschlossen. Eier, Schweine und Legehennen dürften so lange nicht in die Nahrungsmittelkette gelangen, bis die Unbedenklichkeit feststehe. Eine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher habe nicht bestanden. Thomas Dosch, Präsident von Bioland, einem Verband ökologischer Erzeuger, unterstützt den Aktionsplan in weiten Teilen. Dem Hamburger Abendblatt sagte er, ein Kontrollsystem, das nur auf die Grenzwerte schaue, "greift aber ins Leere, wenn Fettpanscher die Bestandteile so lange mischen, bis sie unter den Grenzwerten liegen". Es sei jetzt Zeit für eine Agrarwende, die die Politik mit einer Honorierung von Umweltleistungen in der Landwirtschaft unterstützen müsse. Unterdessen trat Niedersachsens neuer Agrarminister Gert Lindemann (CDU) in Hannover sein Amt an. Er folgte auf Astrid Grotelüschen, die nach Vorwürfen um Missstände auf Geflügelhöfen im Dezember zurückgetreten war. Er lehnte eine Agrarwende ab. Ursache des Skandals seien keine Systemfehler oder falsche Strukturen, sondern kriminelles Handeln. Er sprach sich für härtere Strafen aus: "In Fällen, in denen wenige Personen derartig immense Schäden durch kriminelles Handeln anrichten, müsste es auch zu Freiheitsstrafen kommen und nicht dazu, dass man mit einer Geldstrafe davonkommen kann."

Den unverschuldet in Not geratenen Betrieben wolle er helfen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Der niedersächsische Landesbauernverband begrüßte die Aussagen Lindemanns. "Agrarpolitische Grundsatzdebatten helfen uns bei der Aufarbeitung nicht weiter, sondern tragen lediglich zur Verunsicherung bei", sagte Landvolkpräsident Werner Hilse dem Abendblatt. "Ein effizientes Frühwarnsystem muss derartige Krisen künftig ausschließen", forderte Hilse.