Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) über die Folgen der Bundeswehrreform und die Aussichten der Hamburger CDU.

Hamburg. Karl-Theodor zu Guttenberg ist bemüht, Optimismus zu verbreiten, als er die Redaktion des Hamburger Abendblatts besucht. Der CSU-Politiker sieht die Bürgerschaftswahl für die Union noch nicht als verloren an. Im Ringen um die Bundeswehrreform zeigt sich der Verteidigungsminister unnachgiebig.

Hamburger Abendblatt: Sie machen Wahlkampf in Hamburg. Reicht die Strahlkraft eines Freiherrn zu Guttenberg, um Christoph Ahlhaus zum Sieg zu verhelfen?

Karl-Theodor zu Guttenberg: Die Hamburger CDU ist mit diesem Spitzenkandidaten, der auf kluge Inhalte setzt, bestens aufgestellt. Sie kann auch ohne einen Karl-Theodor Guttenberg die Wahl erfolgreich bestreiten.

Die Umfragen sind niederschmetternd. Was ist noch drin für die CDU?

Guttenberg: Auf jeden Fall mehr, als vor Umfragewerten zu erstarren. Diese Gefahr sehe ich bei der CDU in Hamburg nicht. Jede Anstrengung lohnt, um die Erfolgsgeschichte der letzten Jahre fortzuführen. Entscheidend wird der Wahltag sein.

Eine Große Koalition hat die SPD jetzt ausgeschlossen ...

Guttenberg: Manche Äußerung gewisser Kandidaten hat sich auch schon in der Vergangenheit als Luftnummer erwiesen.

Warum steht die Union in der Hansestadt nicht besser da? Ist die SPD von Olaf Scholz so stark?

Guttenberg: Die CDU hat in Hamburg noch alle Chancen. Ich halte immer viel von Wahlkämpfen, die auf Inhalte setzen und nicht allzu sehr polarisieren.

Wäre Karl-Theodor zu Guttenberg an der Elbchaussee groß geworden - welcher Partei hätte er sich angeschlossen?

Guttenberg: (lacht) Er hätte wahrscheinlich einen CSU-Ortsverband gegründet.

FDP-Chef Westerwelle setzt sich - in Abkehr von seiner bisherigen Strategie - für eine Koalition mit der SPD in der Hansestadt ein. Kommt Ihnen der Wunschpartner abhanden?

Guttenberg: Wir haben eine Koalition in Berlin, die nach einem schwierigen Beginn immer besser zusammenarbeitet. Sie hat sich nicht auszurichten an den Konstellationen und Wunschvorstellungen Einzelner in den Bundesländern.

In wie vielen Ländern wird die Union nach diesem Superwahljahr den Ministerpräsidenten stellen?

Guttenberg: In hoffentlich möglichst vielen. Erfolge erringt man, indem man nicht den üblichen Wahlkampfklischees folgt, sondern über den Wahltag hinaus denkt und auch unbequeme Wahrheiten benennt.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vertritt die Ansicht, die Grünen seien keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern. Demnach müsste Schwarz-Grün für Sie ausgeschlossen sein ...

Guttenberg: In einem demokratischen Wettbewerb haben die Parteien mit den Ergebnissen umzugehen. Wir haben schwarz-grüne Experimente gesehen. Nicht jedes dieser Experimente kann als gelungen bezeichnet werden. Deswegen muss man mit einer hohen Fähigkeit zur Selbstkritik an solche Konstellationen herangehen.

In Baden-Württemberg gehört Schwarz-Grün noch zu den freundlicheren Szenarien für die Union. Kann Angela Merkel weiterregieren wie bisher, wenn Stefan Mappus von einem grünen Ministerpräsidenten abgelöst wird?

Guttenberg: Es werden sich manche noch wundern über die Entwicklung in Baden-Württemberg. Dort ist etwas geschehen, was die Menschen sehr befürworten: Die CDU hat klar Position bezogen - auch gegen Widerstände. Es ist wichtig, die Dinge vor dem Wahltag nicht weich zu waschen.

In Bayern sind in diesem Jahr keine Wahlen. Die CSU kann sich in aller Ruhe neu aufstellen ...

Guttenberg: Die CSU ist bestens aufgestellt. Sie hat aber auch immer wieder an ihrem eigenen Bild, an ihrem Auftreten und an ihren Inhalten zu arbeiten. Dafür - und nicht für Personalspekulationen - sollten wir das Jahr nutzen.

Horst Seehofer will beim CSU-Parteitag wieder als Vorsitzender antreten. Wird er der einzige Bewerber sein?

Guttenberg: Der Parteitag ist im Herbst, und wir haben einen gut arbeitenden Parteivorsitzenden, der sich entsprechend positioniert hat.

Sie sind Bezirksvorsitzender Ihrer Partei. Genügt Ihnen das?

Guttenberg: Auch der Bezirksvorsitzende ist ein anspruchsvolles Amt - vor allem, wenn es mit einem Regierungsamt in Berlin gekoppelt ist. Dieses Jahr ist für mich durchaus fordernd gestaltet.

Die Reform der Bundeswehr sollte auch den Staatshaushalt entlasten. Werden Sie die geplanten 8,4 Milliarden Euro einsparen?

Guttenberg: Ich werde alles daransetzen, um auch in meinem Haushalt so viel wie irgend möglich einzusparen. Ich habe gleichzeitig den politischen Auftrag, eine Truppenstärke von bis zu 185 000 Soldaten zu planen. Bei der ursprünglichen Haushaltsplanung waren wir von wesentlich weniger ausgegangen.

Was kommt auf die Bundeswehrstandorte im Norden zu?

Guttenberg: Die Entscheidungen werden Mitte des Jahres getroffen.

Verzichten Sie auf Rüstungsprojekte?

Guttenberg: Ich habe sehr wohl vor, hier Einsparpotenziale zu erzielen. Die Bundeswehr wird genau prüfen müssen, welche Rüstungsprojekte noch Sinn machen und welche der Nostalgie des Kalten Krieges entspringen.

Konkret: Was bedeutet das für den Militärtransporter A400M?

Guttenberg: Wir warten auf eine Entscheidung des Haushaltsausschusses. Es wäre gut, zu einem Ergebnis zu kommen. Dieses im Jahr 2003 vertraglich auf den Weg gebrachte Projekt ist sicherlich kein gutes Beispiel dafür, wie die Prozesse der Rüstungsbeschaffung nach meiner Vorstellung in Zukunft aussehen sollten. Auch deshalb werden diese nun reformiert. Für den A400M jedoch gilt: Vertragliche Bindungen bestehen nun einmal. Es geht jetzt darum, das Projekt aus einer seit Jahren verfahrenen Situation gemeinsam - also sechs Partnernationen und die Industrie - gut zu gestalten. Der A400M war ursprünglich nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch europapolitisch und industriepolitisch begründet. Ich bin überrascht, wenn sich manche über die Vertragsergänzung ärgern - und gleichzeitig den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen und industriepolitischem Know-how beklagen. Da muss sich jeder selber überprüfen.

Sie sagen, eine Freiwilligenarmee eigne sich besser für Auslandseinsätze als eine Wehrpflichtarmee. Sehen Sie bereits neue Missionen auf die Bundeswehr zukommen?

Guttenberg: Wenn ich die Kraft der Weissagung hätte! Wir sind eine Armee im Einsatz - und es wird auch künftig Auslandseinsätze geben. Dazu können Ausbildungsmissionen, Beobachtungsmissionen und auch Stabilisierungsmissionen zählen. Dafür haben wir uns zu rüsten.

Werden deutsche Soldaten bald auch die Elfenbeinküste stabilisieren?

Guttenberg: Zunächst wäre eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats zu treffen ...

... dem Deutschland jetzt angehört. Wächst damit unsere Verantwortung für den Weltfrieden?

Guttenberg: Als eine der stärksten Nationen im Nato-Bündnis haben wir eine Grundverantwortung. Man muss immer sehen, wer am geeignetsten ist, Sicherheitsverantwortung wahrzunehmen. In Afrika könnte ich mir eine größere Rolle der Afrikanischen Union vorstellen.

Der Afghanistan-Einsatz ist zum Streitfeld zwischen Verteidigungsminister und Außenminister geworden. Jetzt geht es um den Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen. Wird Deutschland die Nato dabei unterstützen?

Guttenberg: In diese Sache wird ein Streit hineininterpretiert, der tatsächlich nicht herrscht. Wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, uns am laufenden Awacs-Einsatz nicht zu beteiligen. Dieser ist auf 90 Tage begrenzt. Die Nato prüft bis dahin, ob und wie es weitergeht und ob es einer deutschen Unterstützung bedürfte. Dies hat naturgemäß dann auch der Nato-Partner Deutschland zu bewerten.

Wäre für den Awacs-Einsatz ein neues Mandat erforderlich?

Guttenberg: Ich denke, ja.

Viele Menschen in Deutschland haben den Eindruck, dass die Bundeswehr immer tiefer in den Krieg am Hindukusch hineinschlittert. Können Sie sagen, wann der letzte deutsche Soldat aus Afghanistan abgezogen wird?

Guttenberg: Bei Kampftruppen sind wir zuversichtlich, dass es bis 2014 gelingen kann. Allerdings können wir kein Datum für das Ende der gesamten zivilen wie militärischen Afghanistan-Mission setzen. Das würde nur den Taliban in die Hände spielen. Wenn es die Lage ermöglicht, können wir Ende dieses Jahres mit dem Abzug beginnen. Wichtig ist, dass wir die verbliebenen Soldaten nicht gefährden.

Herr zu Guttenberg, was bringt das politische Jahr 2011 - außer Dauerwahlkampf?

Guttenberg: Hoffentlich eine saubere politische Arbeit, die sich nicht an den Wahltagen, sondern an den Bedürfnissen künftiger Generationen ausrichtet. Der Wille dazu ist in der Koalition erkennbar.

Hilft es der Koalition, wenn Guido Westerwelle an der Spitze der FDP bleibt?

Guttenberg: Ja.

Warum?

Guttenberg: Jeder starke Partner nutzt der Koalition. Möglichst wenig Diskussion über Personal ebenso.

Könnte er Außenminister und Vizekanzler bleiben, ohne Parteichef zu sein?

Guttenberg: Guido Westerwelle hat deutlich gemacht, dass er Außenminister, Vizekanzler und Parteichef bleiben will. Ich gehe fest davon aus, dass ihm das gut gelingen wird.

Sie rechnen also nicht damit, dass irgendwann die Kanzlerin anruft und sagt: Guttenberg, übernehmen Sie!

Guttenberg: Was für eine unsinnige Vorstellung. Mit der Bundeswehrreform habe ich ein erhebliches Stück Arbeit vor mir. Das wird mir alle Kräfte abfordern.