Messungen bei Futterfett-Hersteller aus Uetersen. Mitarbeiter als “Mörder“ beschimpft.

Hamburg. Im Skandal um mit Dioxin verseuchtes Tierfutter haben Mitarbeiter des Futterfett-Herstellers Harles und Jentzsch aus Uetersen (Kreis Pinneberg) massive Drohungen erhalten. Unbekannte hätten ihn und weitere Mitarbeiter als "Mörder" bezeichnet und ihnen mit dem Tode gedroht, sagte der Geschäftsführer des Unternehmens, Siegfried Sievert, dem "Westfalen-Blatt". Gerüchte über eine bevorstehende Insolvenz der Firma wies er aber zurück. Eine Polizeisprecherin bestätigte den Eingang einer Anzeige, allerdings sei darin nicht von Morddrohungen die Rede gewesen.

Das Uetersener Unternehmen steht im Zentrum des Dioxin-Skandals. Bei einem Partnerbetrieb im niedersächsischen Bösel, der Spedition Lübbe, soll belastetes Industriefett eines Biodiesel-Produzenten ins Tierfutterfett gemischt worden sein. Für diesen Arbeitsgang aber habe Lübbe keine Genehmigung gehabt, sagte Gert Hahne, Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums, dem "Westfalen-Blatt". Die Herstellung von Futtermittelfett sei illegal erfolgt.

In neun von zehn Fällen war die Belastung zu hoch. Es war bis zu knapp 78 Mal so viel Dioxin enthalten wie erlaubt, teilte das Kieler Agrarministerium am Freitag mit. Das ergaben Laboruntersuchungen von weiteren Proben. Das Fett sei nicht für die Futtermittelherstellung geeignet, so das Ministerium. Insgesamt liegen der Behörde bislang 30 Labor-Ergebnisse vor – in 18 Fällen wurden die Dioxin-Grenzwerte überschritten. Mit dem Gift belastete Futterfette wurden außerdem schon deutlich länger zu Tierfutter verarbeitet als angenommen. Bereits im März 2010 seien bei Eigenkontrollen von Harles und Jentzsch zu hohe Werte festgestellt worden, teilte das Ministerium mit. Die Firma meldete sie aber nicht. Das Ministerium stellt Strafanzeige.

Unterdessen wird der Schaden durch den Skandal immer größer. Bislang sind nach dpa-Informationen schon rund 4700 Höfe in Deutschland vorsorglich gesperrt worden. Vor diesem Hintergrund fordern die Bauern eine Entschädigung von der Futtermittelindustrie und verlangen einen Hilfsfonds. Je nach Größe des Betriebs könne der Schaden in die Millionen gehen, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Helmut Born.

In Schleswig-Holstein hat sich die Zahl der betroffenen Betriebe leicht erhöht. "Nach unseren neuesten Erkenntnissen sind über den Hamburger Futtermittelhersteller Habema 52 Betriebe in Schleswig-Holstein mit möglicherweise dioxinhaltigem Futtermittel beliefert worden", sagte der Sprecher des Kieler Umweltministeriums, Christian Seyfert. Die Betriebe hätten 82 Lieferungen erhalten. Zudem wurden über Habema acht Landhandelsfirmen versorgt. Ihre Lieferlisten werden noch ausgewertet. "Wir haben bis in den November vergangenen Jahres hinein Lieferungen von Futterfett von der Firma Harles und Jentzsch erhalten und dieses zu Futtermittel verarbeitet", bestätigte Habema-Geschäftsführer Manfred Thering dem Abendblatt. "Allerdings wurden bei unseren Futtermitteln in keinem Fall die Grenzwerte für Dioxin überschritten."

Diese Darstellung deckt sich bislang mit den Erkenntnissen der Hamburger Gesundheitsbehörde, die nach Kontrollen davon ausgeht, dass die Grenzwerte zumindest rechnerisch nicht überschritten worden sein können. Nach jetzigem Stand sei der Firma kein Vorwurf zu machen, sagte Behördensprecher Rico Schmidt.

Forderungen nach mehr Kontrollen erteilte Hamburgs Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) eine Absage: "Sofort nach neuen oder strengeren Gesetzen zu rufen halte ich für übereilt", sagte er dem Abendblatt. "Es gibt bereits zahlreiche risikoorientierte Kontrollen, die auch greifen."