Europäische Nachbarn toleranter gegenüber fremden Religionen

Berlin. Die Deutschen sind einer Studie zufolge gegenüber dem Islam und anderen nicht christlichen Religionen intoleranter als ihre westeuropäischen Nachbarn. Sie sprächen sich häufiger als Franzosen, Dänen, Niederländer oder Portugiesen gegen neue Moscheen und Minarette aus, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack gestern in Berlin bei der Vorstellung einer Umfrage zur religiösen Vielfalt in Europa. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid befragte im Sommer - noch vor der vom damaligen Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin ausgelösten Integrationsdebatte - in jedem der fünf ausgewählten Länder 1000 Menschen.

Die Unterschiede zwischen Deutschland und den anderen Ländern seien "geradezu dramatisch", wenn es um die persönliche Haltung gegen Muslime gehe, sagte Pollack weiter. Erst Anfang Oktober hatte Bundespräsident Christian Wulff öffentlich erklärt, der Islam gehöre mittlerweile zu Deutschland. Doch während laut Studie Niederländer (62 Prozent), Franzosen (56 Prozent) und Dänen (55 Prozent) mehrheitlich positiv über Muslime denken, gilt das in Deutschland nur für 34 Prozent im Westen beziehungsweise für 26 Prozent im Osten.

Mit dem Islam verbinden die Deutschen demnach vor allem Frauendiskriminierung (über 80 Prozent), Fanatismus (mehr als 70 Prozent) und Gewaltbereitschaft (über 60 Prozent). Lediglich 8,2 Prozent der Westdeutschen und 5,2 Prozent der Ostdeutschen halten den Islam für friedfertig. Auch von Hindus, Buddhisten und Juden haben die Deutschen ein schlechteres Bild als die übrigen Europäer, sagte Pollack. Der Umfrage zufolge hegen 24,1 Prozent der Westdeutschen und 31 Prozent der Ostdeutschen Vorurteile gegenüber Hinduisten. 30 Prozent der Deutschen äußerten negative Haltungen gegenüber Juden. Grund sei der mangelnde Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen, sagte Pollack. Jedoch werde persönlicher Kontakt, insofern er zustande kommt, meist positiv bewertet.

Die Deutschen seien weniger bereit, anderen Religionen gleiche Rechte zuzugestehen, sagte Pollack. So meinen laut Umfrage nur 49 Prozent der Befragten in Westdeutschland und 53 Prozent in Ostdeutschland, alle religiösen Gruppen sollten die gleichen Rechte haben. Demgegenüber sprachen sich in Dänemark 72 Prozent der Befragten, in den Niederlanden 82 Prozent, in Frankreich 86 Prozent und in Portugal 89 Prozent für gleiche Rechte aus.

Der Umfrage zufolge befürworten weniger als 30 Prozent der Befragten in Westdeutschland und weniger als 20 Prozent in Ostdeutschland den Bau von Moscheen. Dagegen sprachen sich in Dänemark mehr als die Hälfte für den Bau von Moscheen aus, in Frankreich und den Niederlanden etwa zwei Drittel und in Portugal fast drei Viertel.

"Die Länderdifferenz muss Politik und Gesellschaft in Deutschland beunruhigen", sagte Pollack. Der Religionssoziologe forderte die deutsche Politik auf, sensibel auf Stimmungen in der Bevölkerung zu reagieren.