Harmonie auf dem Arbeitgebertag. Die Krise hat Unternehmer, Gewerkschafter und Politiker einander nähergebracht.

Berlin. Einen Arbeitgeberpräsidenten, der sich bei der Bundesregierung bedankt und den Gewerkschaften Komplimente macht, erlebt man auch nicht alle Tage. Aber genau dies war gestern in Berlin zu besichtigen. Dass der deutsche Arbeitsmarkt "so robust" durch die Krise gekommen sei und dass man sich nun geradezu in einer wirtschaftlichen "Aufbruchszeit" befinde, bezeichnete Dieter Hundt auf dem Deutschen Arbeitgebertag als "gemeinsamen Erfolg von Unternehmen, Tarifpartnern und Politik".

Nach dieser Begrüßung war es kein Wunder, dass der sonst zuweilen etwas brummige DGB-Chef Michael Sommer an diesem Morgen erstaunlich milde wirkte. Zumal Hundt auch noch an die Kanzlerin appellierte, den vom Bundesarbeitsgericht vor fünf Monaten aufgehobenen Grundsatz der Tarifeinheit "möglichst rasch" wiederherzustellen und dabei den von Arbeitgebern und Gewerkschaften "gemeinsam" erarbeiteten Vorschlag zugrunde zu legen. Der sieht vor, dass nur die Tarifverträge mit der jeweils größten Gewerkschaft gelten sollen; das soll die weitere Zersplitterung der Tariflandschaft verhindern.

Und tatsächlich ließ sich Angela Merkel auch nicht lumpen. Als sie dreieinhalb Stunden später ans Mikrofon trat, sprach sie von einer "Regelungsnotwendigkeit". Der Vorschlag werde gerade geprüft. Das solle man zwar nicht als Versprechen auffassen, "dass wir das eins zu eins übernehmen", aber: "Sie hören von uns!" Und zwar, so die Kanzlerin mit überraschender Festlegungsbereitschaft, "in den nächsten zwei Monaten".

Wohl selten ist ein Arbeitgebertag so harmonisch verlaufen wie dieser. In allen wichtigen Punkten war man sich einig. Über den Segen der Kurzarbeit, der während der Finanz- und Wirtschaftskrise gefährdete Arbeitplätze sicherte. Über die Notwendigkeit der Schuldenbremse, die zur Konsolidierung des Haushalts führen soll. Darüber, dass die deutsche Wirtschaft wieder die Konjunkturlokomotive Europas ist und, wie Hundt meinte, einem Beschäftigungsrekord entgegengeht. Beziehungsweise darüber, dass das Land "gut dasteht", wie es die Kanzlerin formulierte. Die allerdings auch alle Anwesenden aufforderte, den neuen Schwung zu nutzen, und sich bloß nicht in der jetzigen Situation auszuruhen.

Nicht mal Frank-Walter Steinmeier hatte gestern Lust, den Miesmacher zu geben. Für die deutsche Wirtschaft habe die Welt schon lange nicht mehr so rosig ausgesehen, meinte der SPD-Politiker. "Und das freut auch den Fraktionsvorsitzenden der größten Oppositionspartei", fügte Steinmeier hinzu, obwohl die SPD bei der letzten Bundestagswahl "einen hohen Preis" für die Umsetzung der einst von ihr erfundenen Agenda 2010 gezahlt habe. Steinmeier sagte, das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik habe sich in der zurückliegenden Dekade gewandelt und dass es schön wäre, wenn man das nicht vergessen und nicht jeder wieder "in seinen Schützengraben steigen" würde.

Natürlich war Irland ein unvermeidliches Thema auf diesem Arbeitgebertag. Angela Merkel sprach von einer "außerordentlich ernsten Situation" für den Euro. Die Lage in Irland sei besorgniserregend, aber anders als in Griechenland. Das hohe Defizit in Irland sei durch die Bankenrettung entstanden. Dies seien noch Effekte aus der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Mit harten Auflagen für Nothilfen sollen nach Merkels Worten die Ursachen der Probleme beseitigt werden können. Gleichzeitig sprach sich die Kanzlerin erneut für die Einbeziehung privater Gläubiger bei der Sanierung von Staaten aus. Es gehe darum, jene, die an Staatsanleihen "ziemlich viel verdient" hätten, nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Es gebe kein Geschäft, bei dem das Risiko zu 100 Prozent beim Steuerzahler abgegeben werde. Ein solches "Schlaraffenland" zu schaffen, das "leuchtet mir nicht ein".

Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger forderte eine Abkehr von der hohen Staatsverschuldung in Europa. "Europa muss aus der Schuldenfalle raus", sagte der CDU-Politiker. Die Verringerung der Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nannte er mit Blick auf Griechenland, Irland und Portugal "das wichtigste Vorhaben in der Restlaufzeit meiner Generation".

Zugleich beklagte Oettinger einen Mangel an Führungskraft in Europa. Steinmeier warnte die Bundesregierung hingegen davor, die anderen EU-Länder zu bevormunden. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass Europa ein deutsches Europa werde. Stattdessen müsse der "lange Weg" gewählt werden, der die kleinen Staaten mitnehme, die alle eine Stimme hätten, meinte der frühere Außenminister. "Es ist kein guter Stil, wenn wir paternalistisch reden mit Ländern am Südrand von Europa oder mit den Iren."