Auch im Norden werden künftig mehr Fachkräfte gebraucht

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Vollbeschäftigung in Deutschland keine Utopie mehr. Rolf Steil, Geschäftsführer der Hamburger Arbeitsagentur, erklärt, wie Vollbeschäftigung auch in Hamburg zu schaffen ist.

Abendblatt:

Herr Steil, was hat Eichstätt, was Hamburg nicht hat?

Rolf Steil:

Eichstätt ist keine Großstadt wie Hamburg. Es gibt so viele mittelständische Betriebe in dieser Region. In Hamburg gibt es viel mehr Menschen mit geringerer Qualifikation, einen höheren Migrationsanteil. Hamburger wechseln häufiger den Job als Eichstätter: Das liegt auch daran, dass in der Stadt 800 Zeitarbeitsfirmen mit 30 000 Beschäftigten tätig sind - einen nahtlosen Übergang zum nächsten Job gibt es nicht immer. Hinzu kommen viele Jobs mit hohen Anforderungsprofilen, für die viele Bewerber nicht geeignet sind.

Was ist für Sie Vollbeschäftigung?

Steil:

Ich halte mich an die klassische Definition: Vollbeschäftigung ist eine Arbeitslosenquote zwischen zwei und vier Prozent - der Rest ist Wahrsagerei. Hamburg hat gegenwärtig eine Arbeitslosenquote von 7,6 Prozent.

Ist Vollbeschäftigung auch in Hamburg möglich?

Steil:

Ja, weil die Komponente Demografie reinkommt. Weil die Bevölkerungszahl zurückgeht, gibt es eine geringere Nachfrage nach Arbeit. Um Vollbeschäftigung zu erreichen, müssen wir unsere Hausaufgaben erledigen.

Welche Hausaufgaben?

Steil:

Alle Menschen auf dem Arbeitsmarkt benötigen einen Schulabschluss und eine mindestens zweijährige Ausbildung. Bevor Kinder in die Schule kommen, müssen sie Deutsch können. Darüber hinaus muss sich die Wirtschaft überlegen, wie sie mit ihrer alternden Belegschaft umgeht, um sie länger im Arbeitsleben zu halten.

Was sind die Schattenseiten der Vollbeschäftigung?

Steil:

Arbeit wird flexibel, man muss damit leben, dass Arbeitsverhältnisse unterbrochen werden und dass man sich ein- oder zweimal neu orientieren muss. Das sind Nachteile, die mit internationalem Wettbewerb um die Kosten der Arbeit zu tun haben. Dies führt dazu, dass Arbeit nicht ausschließlich in Deutschland zu halten ist.

Eine Sockelarbeitslosigkeit wird es immer geben. Was kann man dagegen tun?

Steil:

In Deutschland muss niemand verhungern, wenn er keine Arbeit hat. Der Staat leistet ein Existenzminimum. Wir wollen den Menschen klarmachen, dass das keine Dauerperspektive bleiben kann.

Was kann eine richtige Einwanderungspolitik für die Vollbeschäftigung tun?

Steil:

Die Politik muss mithelfen, dass wir hoch qualifizierte Spezialisten bekommen - vor allem aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Wir haben zu wenige Ingenieure in Deutschland.