Beamte und Castor-Gegner werfen sich gegenseitig Brutalität vor. Am Abend stoppt der Zug

Gorleben. Polizei und Demonstranten haben sich gestern gegenseitig bezichtigt, die Situation im Konflikt um den Castortransport angeheizt zu haben. Immer wieder kam es am Sonntag zu Krawallen, nachdem tags zuvor die Anti-Atom-Demonstrationen mit 25 000 bis 50 000 Teilnehmern friedlich verlaufen waren. Die Polizei setzte mehrfach Schlagstöcke, Pfefferspray und auch Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die auf die Gleise stürmten. Mehrere Menschen wurden verletzt. Atomkraftgegner versuchten im Wendland nahe Dannenberg ein gepanzertes Räumfahrzeug der Polizei anzuzünden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, sprach von einer "neuen Stufe der Gewalt". Die Polizei hatte mindestens 16 500 Beamte im Einsatz.

Am Abend hieß es aus mehreren Quellen, dass der Zug bis auf Weiteres in Dahlenburg stillgelegt wurde - 30 Kilometer vor dem Verladebahnhof Dannenberg, von wo es auf Tiefladern ins Zwischenlager Gorleben weitergehen soll. Der Vorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der Nachrichtenagentur dpa, heute um 9 Uhr werde es eine Einsatzbesprechung über das weitere Vorgehen geben. Bis dahin stehe der Zug still. Die Gewerkschaft der Polizei in Niedersachsen bestätigte den Castor-Stopp. Eine Sprecherin der Einsatzleitung in Lüneburg sagte dagegen, eine Weiterfahrt des Zuges hänge von den am Abend angelaufenen Gesprächen mit den Demonstranten ab. Nicht bestätigen wollte sie Zeitvorgaben für den Stopp. Unter Vermittlung von Kirchenvertretern hatten zuvor Gespräche zwischen der Polizei und den Blockierern begonnen. Ein Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg sagte, man habe einen runden Tisch vorgeschlagen, um "exzessiven Einsatz von Polizeigewalt zu vermeiden".

Die Polizisten waren den Gewerkschaften zufolge teilweise seit mehr als 24 Stunden im Einsatz. Da viele Beamte wegen Traktor-Blockaden nicht ausgetauscht werden konnten, werde die Situation für sie immer schwieriger, hieß es. "Die Polizei ist absolut am Ende ihrer Kräfte", sagte Wendt. Zuvor hatten Dutzende Polizisten über eine fehlende Essensversorgung geklagt.

Auf der Zugetappe von Lüneburg aus fuhr ein Reparaturzug vor dem Transport, um von Demonstranten möglicherweise verursachte Gleisschäden auszubessern. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett - das "Castorschottern" - als Straftat verurteilt.

Der am Freitag nahe der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gestartete zwölfte Atommüll-Transport mit elf Castor-Behältern hatte auf seiner Fahrt schon eine wahre Odyssee hinter sich. Umleitungen wegen Blockaden, von einer Brücke abgeseilte Anti-Atom-Aktivisten und zuletzt drei an Gleise gekettete Atomkraftgegner bei Celle hielten den Zug immer wieder auf.