Als neuer Chef der NRW-CDU könnte der Umweltminister sogar die Kanzlerin beerben

Hamburg. Kurz vor dem Showdown ging es steil nach oben. Exakt 2038 Meter über den Meeresspiegel, auf den Gipfel des Fellhorns in den Allgäuer Alpen. Nur ein paar Tage vor der Mitgliederbefragung der NRW-CDU hat Norbert Röttgen hier mit seiner Familie Urlaub gemacht. Hat noch einmal durchgeatmet, hat Kraft getankt. Und jetzt, da er den mächtigsten CDU-Landesverband der Bundesrepublik anführen wird, dürfte er genau darauf angewiesen sein. Röttgen, so viel ist sicher, hat in den kommenden Wochen und Monaten einiges zu tun.

Der 45-Jährige muss sich nun an zwei Schauplätzen beweisen: In Düsseldorf weiß er nach der Befragung am Sonntag zwar die Mehrheit der 160 000 Mitglieder starken Basis hinter sich, sieht sich jedoch mit dem Establishment der Landespartei konfrontiert. Das wollte lieber seinen Konkurrenten Armin Laschet, während die Mitglieder bereits in Umfragen den telegenen Polit-Promi Röttgen bevorzugten. Obwohl sich Laschet und Röttgen in ihren Positionen kaum unterscheiden und beide als liberale Modernisierer gelten, ist das Votum der Basis für den Umweltminister auch ein bewusster Bruch mit dem System Rüttgers, dessen Mitglieder nach dem Abgang des Ex-Regierungschefs ebenso wie Laschet weiter zum Parteiapparat gehören.

Neuanfang und Umbau also bei der NRW-CDU - und damit die Fortsetzung eines Prozesses, der die Bundesunion längst ergriffen hat und sich vor allem im Generationswechsel des Führungspersonals offenbart: Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU), Familienministerin Kristina Schröder oder Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) lösen als moderne Pragmatiker die alte Garde samt ihrem alten Konservativismus ab. Norbert Röttgen passt da nur allzu gut rein. Auch weil er als noch junger Abgeordneter in der sogenannten Pizza Connection engen Kontakt zu den Grünen unterhielt und bis heute keine Berührungsängste zeigt. "Ein glaubwürdiger Neuanfang erfordert neue Köpfe und neue Konzepte", hatte Röttgen schon im Vorfeld seiner Kandidatur zum Landesvorsitz erklärt.

Schauplatz Nummer zwei ist und bleibt Berlin - nicht nur wegen Röttgens Amt als Umweltminister. Schon lange sagt man dem promovierten Juristen Ambitionen aufs Kanzleramt nach, was er zwar weiß, aber dennoch abstreitet: "Das ist Unsinn." Es gehe ihm nicht um Karriereplanung, in NRW sei er vielmehr "familiär und politisch verwurzelt". Trotzdem könnte er bereits in zwei Wochen auf dem CDU-Bundesparteitag auch zum Stellvertreter von Parteichefin Angela Merkel gewählt werden. Auch das wäre ein idealer Startpunkt, um die Kanzlerin eines Tages zu beerben. Dass er während der Debatte um die Verlängerung der Atomlaufzeiten diverse Schrammen abbekam, scheint kaum noch eine Rolle zu spielen. Der politische Gipfelsturm dürfte Röttgen mit seiner neuen Ausgangslage deutlich leichter fallen.