Der Umweltminister könnte zum Guttenberg der CDU werden. In Berlin wird Norbert Röttgen mit hämischen Beinamen belegt.

Düsseldorf/Hamburg. Norbert Röttgen, 45, hat auf Risiko gespielt – und alles gewonnen. Der Bundespolitiker hat tatsächlich die „Landeslösung“ Armin Laschet an der Spitze der nordrhein-westfälischen CDU ausgestochen und wird neuer Landesvorsitzender. Damit dürfte der jugendlich-ergraute Meckenheimer seine Chancen als Hoffnungsträger der Union auch auf Bundesebene wahren – und auf die Überholspur einer Politiker-Karriere eingebogen sein.

„Dieser Wettbewerb von rund 80.000 Mitgliedern ist eine Demonstration der Lebendigkeit dieser Partei“, sagte Röttgen nach seinem Sieg. Er sei selbstverständlich bereit, die CDU bei der nächsten NRW-Landtagswahl als Spitzenkandidat anzuführen. Wochenlang hatte die Sache für Röttgen ziemlich knapp ausgesehen, zumal es auch in seinem Amt als Bundesumweltminister nicht gerade rund lief. Bei einer zentralen Entscheidung der schwarz-gelben Koalition, der Abkehr vom Atomausstieg, versuchte er ziemlich erfolglos, die Fäden zu ziehen.

An den Verhandlungen der Regierung mit der Atomindustrie über finanzielle Zugeständnisse an den Bund war er gar nicht beteiligt – was ihm von den Kritikern des „Geheimdeals“ sofort Hohn und Spott eintrug. Kanzlerin Angela Merkel habe ihren Umweltminister „wie einen Schuljungen vor der Tür stehen lassen“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Wegen seiner schneidenden Intelligenz wird Röttgen im Kabinett auch „Muttis Klügster“ genannt, heißt es in Berlin.

Danach musste sich Röttgen immer wieder die Frage anhören, ob er denn im Amt geschwächt sei, was in aller Regel kein gutes Zeichen ist. Das war auch dem Politprofi Röttgen klar, der seit fast drei Jahrzehnten in der CDU wirkt – vor seinem Ministeramt unter anderem als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion an einer Schaltstelle der Macht.

Mit Verve warf sich der Jurist deshalb in den Kampf um die Landesspitze im bevölkerungsreichsten Bundesland, wo der smarte Minister aus Berlin offenbar bei den einfachen CDU-Mitgliedern punktete. Auch die Bundesbühne nutzte Röttgen, obwohl die Opposition in Berlin bekrittelte, er sei zu viel am Rhein. Vor der Entscheidung über das Energiekonzept hielt der bisweilen sanftmütige Umweltminister noch am Donnerstag eine flammende Rede mit ungewöhnlich scharfen Attacken gegen die Opposition. Die Unions-Fraktion dankte es ihm mit euphorischem Applaus.

Nun dürften für Röttgen wieder viele Türen offen sein. So könnte auch der Posten des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden in Griffweite sein, und daraus könnte sich sogar eine Option auf Merkels Nachfolge ergeben. Denn nach dem Politikausstieg alter Merkel-Rivalen wie Roland Koch oder Kronprinzen wie Ole von Beust und angesichts der Probleme des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus mit „Stuttgart 21“ sieht die zweite Reihe der CDU inzwischen einigermaßen zerzaust aus. Könnte Röttgen nun der Karl-Theodor zu Guttenberg der CDU werden? Während die CDU mit ihren Nachwuchsleuten hadert, ist für die Schwesterpartei CSU offenbar längst klar, dass Verteidigungsminister Guttenberg künftig eine noch größere Rolle spielen wird.

Röttgen lässt trotz aller Bescheidenheit bisweilen durchblicken, dass er sich höhere Ämter durchaus vorstellen könnte. Für den Posten als Bundesumweltminister hatte er sich offenbar selbst positioniert, war der doch auch für Kanzlerin Merkel einst Karrieresprungbrett. Nur einmal hielt der Vater dreier Kinder bei seinem bisher gradlinigen Aufstieg kurz inne. 2006 wäre er beinahe Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie geworden. Stattdessen behielt er sein Bundestagsmandat, das er schon seit 1994 innehat. Nun dürfte sich die Entscheidung auszahlen.