Eins der Pakete war auf dem Flughafen Köln/Bonn umgeladen worden. Das BKA konnte es nicht mehr stoppen. Keine Frachtflüge aus dem Jemen.

Berlin. Nach dem Fund zweier Bomben aus dem Jemen in Paketen, die in die USA geschickt werden sollten, sind die Sicherheitsbehörden weltweit in Alarmbereitschaft. Deutschland, Großbritannien und Frankreich stoppten alle Frachtflüge aus dem Jemen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erklärte, das Luftfahrtbundesamt solle alle Luftfahrtunternehmen, Expressdienstleister und andere Transportunternehmen anweisen, keine Fracht aus dem Jemen mehr zu befördern. Die Unternehmen seien verpflichtet, alle vorhandene und lagernde Fracht aus dem Jemen umfassend zu kontrollieren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte im MDR ein, dass Frachtflüge bislang vergleichsweise wenig kontrolliert worden seien. Schwachstellen würden jetzt analysiert und beseitigt. Zuvor hatte de Maizière seine für Sonntag geplante Nahost-Reise aufgrund der aktuellen Ereignisse abgesagt.

Unterdessen wurde bekannt, dass eins der Pakete in Deutschland umgeladen wurde , ohne dass die Behörden es stoppen konnten. „Wir nehmen den Vorgang ernst, auch wenn Deutschland wohl nicht Anschlagsziel war“, sagte de Maizière. Deutsche Behörden seien in der Nacht zum Freitag von einem befreundeten Geheimdienst auf das Luftfrachtpäckchen mit dem Sprengstoff hingewiesen worden. Obwohl das Bundeskriminalamt die in Köln/Bonn umgeladene Sendung aufspürte, konnte sie nicht mehr gestoppt werden. Das Paket hatte bereits eine halbe Stunde zuvor Deutschland wieder in Richtung Großbritannien verlassen.

Der Innenminister wiederholte, dass es seit einigen Wochen Hinweise auf Terrorgefahren gebe. Diese habe die Bundesregierung „sehr ernst genommen“. Doch gebe es keine konkreten Hinweise auf ein konkretes Ziel in Deutschland. „Die Gefahr ist immer dagewesen“, sagte de Maizière. Unterdessen berichtete die „Bild“-Zeitung (Montagausgabe), der deutsche Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche habe sich vor dem Hintergrund der Terrorwarnungen vergangene Woche in den USA aufgehalten. Amerikanische Stellen hätten um eine persönliche Kontaktaufnahme mit einem hohen deutschen Sicherheitsexperten gebeten. Hintergrund waren dem Blatt zufolge Erkenntnisse von US-Geheimdiensten über angebliche Anschlagsplanungen von al-Qaida in Deutschland.

Gewerkschaft der Polizei warnt vor Sicherheitslücken

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor weiteren Sicherheitslücken und rief die Bundesregierung zum Handeln auf. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg sagte dem Abendblatt (Montagausgabe): "In der Politik wird viel geredet. Das Handeln sieht anders aus. Bei der Bundespolizei, die für den Luftverkehr zuständig ist, sollen laut Haushaltsbeschluss bis 2014 insgesamt 1000 Stellen gestrichen werden. Das ist eine zentrale Sicherheitslücke und kein Beitrag zur Bekämpfung der Terrorgefahr.“

Freiberg sagte, man wisse aus jahrelangen Ermittlungen und aus den Erkenntnissen der Nachrichtendienste, "dass die Zahl der Terroristen, die eine Sprengstoffausbildung haben, gestiegen ist“. Der Fund der Bomben mache deutlich, in welcher Terrorgefahr wir lebten. „Wir neigen seit einigen Monaten dazu, das zu verdrängen“, sagte Freiberg.

Um auch künftig Terrorpläne aufdecken zu können, sie eine rasche Einigung auf die Methoden der Vorratsdatenspeicherung nötig. Freiberg kritisierte: „Die Bundesjustizministerin und der Bundesinnenminister können sich nicht auf eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung einigen. Die Polizei braucht aber moderne Methoden, um Terroristen frühzeitig zu identifizieren. Insofern haben sich die Rahmenbedingungen der Terrorbekämpfung verschlechtert.“

Keine verschärften Kontrollen für Flugpassagiere

Flugpassagiere aus dem Jemen und deren Gepäck werden dagegen keiner verschärften Kontrolle an den Flughäfen unterzogen. „Dafür gibt es keine besondere Anordnungslage“, sagt Bundespolizeisprecherin Sandra Pfeifer. Jemeniten würden wie jeder andere Passagier auch, der nicht aus dem Schengen-Gebiet stammt, bei der Passkontrolle daraufhin überprüft, ob sie zur Fahndung ausgeschrieben seien.

Ein weiterer Flughafen-Experte der Bundespolizei ist davon überzeugt, dass von den Passagieren ohnehin weniger Gefahr ausgeht. „Die Passagierkontrollen sind auch im Jemen sehr streng.“ Bei Frachtladungen gebe es dagegen viel eher Sicherheitslücken. „Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Täter sich ausgerechnet Frachtmaschinen für ihre Bomben ausgesucht haben.“

Hintergrund: In der Nacht zum Freitag waren in Frachtmaschinen auf dem mittelenglischen Flughafen East Midlands und in Dubai aus dem Jemen abgeschickte Pakete mit funktionsfähigen Sprengsätzen entdeckt worden. Eines der an jüdische Einrichtungen im Raum Chicago adressierten Pakete war nach offiziellen Angaben auf dem Kölner Flughafen umgeladen worden. De Maizière sagte dem MDR, das Bundeskriminalamt habe Hinweise, die es in der Nacht zum Freitag von einem „befreundeten“ Geheimdienst erhalten habe, an die britischen Behörden weitergegeben.

Zusammenhang mit vereiteltem Anschlag in Flugzeug vergangene Weihnachten

Unterdessen erhärtete sich der Verdacht, dass die Paketbomben im Zusammenhang mit dem vereitelten Anschlag auf eine US-Passagiermaschine im Landeanflug auf Detroit stehen. Die funktionsfähigen Sprengsätze seien von demselben Bombenbauer zusammengesetzt worden, der auch die Bombe gebaut habe, die der Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab vergangene Weihnachten hatte zünden wollen, sagte der Anti-Terror-Berater von US-Präsident Barack Obama, John Brennan, am Sonntag dem Fernsehsender ABC. Darauf deuteten „kriminaltechnische Analysen“ hin.

Brennan wollte den möglichen Bombenbauer nicht namentlich nennen. Der „Washington Post“ sowie der britischen Zeitung „Sunday Telegraph“ zufolge ist jedoch der im Jemen lebende Saudiaraber Ibrahim Hassan el Asiri erneut ins Viser der Ermittler geraten, da der 28-Jährige den Sprengsatz für den gescheiterten Weihnachts-Anschlag gebaut haben soll.

Bei dem Paket in Dubai bestand der Sprengsatz nach Angaben der örtlichen Behörden aus hochexplosivem PETN und war in der Tintenkartusche eines Druckers versteckt. Nach Informationen der „New York Times“ war dies auch bei dem in in Großbritannien entdeckten Sprengsatz der Fall. PETN wurde auch von Abdulmutallab verwendet.

Aus Kreisen der katarischen Fluggesellschaft Qatar Airways verlautete, dass eines der aus dem Jemen versandten Sprengstoff-Pakete zwischenzeitlich an Bord einer Passagiermaschine unterwegs war . Das Unternehmen hatte zuvor offiziell bestätigt, dass eines ihrer Flugzeuge das Paket von der jemenitischen Hauptstadt Sanaa über Doha nach Dubai gebracht habe.

Nach dem Fund der Paketbomben verschärften die jemenitischen Behörden ihre Kontrollen und nahmen nach eigenen Angaben eine Verdächtige sowie deren Mutter fest. Auf einem Paketschein sei die Handynummer der jungen Frau entdeckt worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Sanaa. Zuvor hatten die Behörden bereits Mitarbeiter von Luftfrachtgesellschaften und der Frachtabteilung des internationalen Flughafens Sanaa festgenommen. 26 verdächtige Pakete wurden untersucht. In Sanaa demonstrierten am Sonntag etwa 500 Studenten für die Freilassung der festgenommenen jungen Frau, da diese unschuldig sei. Auch die jemenitische Menschenrechtsgruppe Hood äußerte Zweifel an ihrer Schuld.