Wir wissen nicht, wie lange Renate Elly Künast über den 18. September 2011 nachgedacht hat, ob ihr das Datum schlaflose Nächte bereitet hat oder wohlige Träume. Noch hat sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende nicht zu dem Datum und seinen Folgen bekannt. Ihr Umfeld streut die Nachricht: Am 18. September 2011 will Künast Geschichte schreiben, Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden, das deutsche Parteiensystem durcheinanderwirbeln.

Sie will etwas schaffen, was niemand vor ihr geschafft hat. Mit 54 Jahren geschieht etwas in Künasts Leben, das sie nur zu gut kennt. Ein Gefühl aus der Kindheit wiederholt sich: Es sind die 60er-Jahre, eine Wohnung in Recklinghausen, ein Streit in der Familie. Renate will den Realschulabschluss machen, ihr Vater, ein Kfz-Mechaniker, beharrt auf dem Hauptschulabschluss. Renate bettelt. "Ich will, ich kann, aber ich darf nicht!" So sei sie ihren Vater angegangen, erinnert sie sich später. Renate macht den Realschulabschluss, dann die Fachoberschulreife, studiert Sozialpädagogik, später Jura. Sie wird eine der ersten Grünen in diesem Land.

Wer ihr begegnet, trifft auf eine resolute Politikerin - und auf einen manchmal zu dominanten Wesenszug. Den Vater und die Familiengeschichte zu bezwingen verleiht vermutlich jedem Menschen eine Strenge, die haften bleibt. Doch etwas ist heute anders als damals in Recklinghausen: Sie will, sie kann. Jetzt darf sie alles.