Verkehrsminister wirbt auf Fernostreise für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit China. Auch die Hansestadt soll profitieren.

Peking/Shanghai. Bis Montag wird Peter Ramsauer noch in China sein, nach Peking und Shanghai auch in die Unruheprovinz Xinjiang im Nordwesten reisen. Ein heikler Besuch, gerade nach der Nobelpreisentscheidung für den chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo - und zugleich eine Chance für die Unternehmensvertreter in der Delegation des Verkehrsministers. Denn Peking zeigt Interesse, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland zu vertiefen. Mit dem Abendblatt sprach der CSU-Politiker in einer Limousine der deutschen Botschaft nach seinem Gespräch mit dem chinesischen Eisenbahnminister Liu Zhijun.

Hamburger Abendblatt:

Herr Minister, wie glatt ist das diplomatische Parkett in Peking?

Peter Ramsauer:

Ich bin in den vergangenen drei Jahrzehnten praktisch in alle Teile Chinas gereist. Und ich habe mich immer ganz unerschrocken und voller Überzeugung für die Menschenrechte eingesetzt. Meine Gesprächspartner haben meine Argumente aufgenommen und dabei auf die besondere Situation Chinas hingewiesen.

Sie sind in den vergangenen Tagen von den Ministern für Transport, Eisenbahnen und Wissenschaft empfangen worden. Haben Sie die Situation des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo angesprochen?

Ramsauer:

Die chinesische Seite hat das Nobelpreisthema nicht angesprochen. Im kleinen Kreis habe ich Fragen von Freiheit und Menschenrechten in geeigneter Form zur Sprache gebracht. Das ist akzeptiert worden.

Was verstehen Sie unter geeignet?

Ramsauer:

Mit den Chinesen muss man aus alter Erfahrung sehr vorsichtig umgehen und die Dinge auch manchmal umschreiben. Man hat schlicht und einfach zu akzeptieren, dass man Chinesen aufgrund ihrer kulturellen Prägung niemals einen Gesichtsverlust zufügen darf. Dazu ist es auch nicht gekommen.

Können Vertreter der Bundesregierung in Menschenrechtsfragen nicht selbstbewusster auftreten?

Ramsauer:

Wir treten selbstbewusst auf. Aber man muss auch die kulturellen Unterschiede beider Länder beachten. Und dazu gehört in China eben die Gesichtswahrung der Gesprächspartner. Als westlicher Demokrat hat man anzuerkennen, dass sich China nicht von heute auf morgen wandeln kann. Ich mahne zur Besonnenheit: Mit Pauschalkritik allein ist der Sache nicht gedient. Deshalb stehen wir mit China in einem ständigen Dialog über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Viele Menschen in Deutschland fragen sich, ob es vertretbar ist, Geschäfte mit einem Staat zu machen, der einen Friedensnobelpreisträger als politischen Gefangenen hält.

Ramsauer:

Der Wandel, den man sich wünscht, kann man nur durch Handel erreichen. China ist in den vergangen 30 Jahren auf dem Weg zur Weltoffenheit ein gewaltiges Stück vorangekommen. Nordkorea ist das Gegenbeispiel: ein Land größter Verschlossenheit. Handel mit dem Westen könnte die 22 Millionen Nordkoreaner Stück für Stück aus Diktatur und Gefangenschaft befreien.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hat die Freilassung des chinesischen Nobelpreisträgers gefordert. Hat er damit auch Ihre Haltung wiedergegeben?

Ramsauer:

Auch ich wünsche mir bei diesem Thema eine baldige Lösung.

Was bringt Ihre Reise den deutschen Unternehmen?

Ramsauer:

China spielt in der Weltwirtschaft eine immer maßgeblichere Rolle. Und Deutschland genießt im Reich der Mitte allerhöchstes Ansehen. Diese Chance muss unsere Wirtschaft nutzen. Deutsche Firmen können gerade verkehrs- und bauwirtschaftliche Fragen hervorragend lösen.

Welche Botschaft haben Sie für die Hamburger Wirtschaft?

Ramsauer:

Hamburg rückt näher an Peking heran.

Wie das?

Ramsauer:

Ich habe zum Beispiel mit dem chinesischen Eisenbahnminister über Schienenverbindungen der Zukunft gesprochen. Der kürzeste Weg von Peking nach Hamburg ist 10 900 Kilometer lang. Wir wollen die Fahrzeit, die heute bei zwölf Tagen liegt, deutlich verkürzen. Es sind drei Probleme, die wir dabei lösen müssen: Geschwindigkeit der Züge, Abfertigung an den Grenzen und Übergang zwischen Normalspur- und Breitspurstrecken. Heute braucht ein Güterzug von Peking nach Hamburg zwölf Tage. Ich bin mir mit meinem chinesischen Amtskollegen Liu Zhijun einig, dass wir die Fahrzeit auf fünf oder sechs Tage verringern können.

Hamburg ist Hafenstadt ...

Ramsauer:

Ein Containerschiff braucht für diese Strecke sechs Wochen. Hamburg hat einen der größten Hochseehäfen in ganz Europa. Mit einer optimalen Schienenverbindung nach Südostasien wird es eine zweite hervorragende Anbindung bekommen.

Chinesische Großreeder dringen auf eine rasche Vertiefung der Elbe, damit sie mit größeren Containerschiffen in den Hamburger Hafen einlaufen können. Wie stehen die Chancen, dass es dazu kommt?

Ramsauer:

Steter Tropfen höhlt den Stein. Wir brauchen die Elbvertiefung, genauso wie wir die Vertiefung der Weser und des Nordostseekanals brauchen. Ziel ist, dass die großen Containerschiffe der Zukunft tideunabhängig im Hamburger Hafen beladen und entladen werden können. Man darf bei diesem Thema allerdings keinen Zeitdruck aufbauen.

Niedersachsen sperrt sich.

Ramsauer:

Genau deshalb muss man zunächst vernünftig miteinander reden. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen wie der Deichsicherheit, die zu respektieren, aber lösbar sind. Das Land Niedersachsen sollte übrigens ebenfalls ein lebhaftes Interesse an der Zukunftstauglichkeit des Hamburger Hafens haben - aus Wirtschafts- und Arbeitsmarktgründen.

Chinesische Produktpiraterie bringt Unternehmen in Hamburg und anderswo in Bedrängnis. Ist die Bundesregierung machtlos gegen Diebstahl geistigen Eigentums?

Ramsauer:

Als Mitglied der Welthandelsorganisation muss auch China den Schutz geistigen Eigentums beachten. In der chinesischen Wirtschaftskultur hat man dazu aber leider eine etwas andere Grundeinstellung als bei uns ...

... das macht es nicht besser.

Ramsauer:

Ich bin zuversichtlich, dass wir China dazu bewegen, unsere urheberrechtlichen Vorstellungen stärker zu akzeptieren. Das ist ein mühsamer und langwieriger Prozess. Aber im Rahmen der WTO kann es gelingen, entscheidende Fortschritte zu erzielen.

Wer profitiert eigentlich mehr von dem Austausch - China oder Deutschland?

Ramsauer:

Die Beziehungen sind für beide Seiten ein Gewinn.

Hat Deutschland die Kraft, den Titel des Exportweltmeisters von China zurückzuerobern?

Ramsauer:

Solche Fragen führen nicht weiter. Beide Nationen verfügen über eine starke Exportkraft - wichtig ist, dass dies so bleibt. Die Unterbewertung der chinesischen Währung wird aber so nicht bleiben können. Das weiß auch Peking. Massive Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen führen auf Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Turbulenzen, woran der chinesischen Führung nicht gelegen sein kann.

Sie sind in Shanghai mit dem Transrapid gefahren. War es ein Fehler, den Chinesen diese Technologie zu überlassen?

Ramsauer:

Die Chinesen haben ein großes Interesse an der Technologie und wissen den Transrapid zu schätzen. Auch deshalb betreiben sie die Strecke in Shanghai. Allerdings sind wir weiter im Besitz der dafür wichtigen Magnetfeld-Technologie.

Sie absolvieren ein ähnliches China-Programm wie Ihr Kabinettskollege Brüderle vor wenigen Tagen. Sind Sie der Schatten-Wirtschaftsminister?

Ramsauer:

Ich bin weder Schatten- noch Sonnen-Wirtschaftsminister. Aber mein Ministerium hat ausgesprochen starke außenwirtschaftliche Komponenten: Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sind gerade für China eine große Herausforderung. Und für Deutschland bieten sich große Chancen.

Anders als Brüderle fliegen Sie an diesem Sonntag weiter nach Urumqi, in die Hauptstadt der Unruheprovinz Xinjiang. Was wollen Sie dort erreichen?

Ramsauer:

Unruheprovinz ist so ein Schlagwort. Xinjiang ist das Land der Uiguren. Ich habe mich immer schon stark mit dem Thema der Minderheiten in China auseinandergesetzt, war aber noch nie im Nordwesten. Ich möchte erspüren, wie dort die Situation ist.

Das wird nicht alles sein.

Ramsauer:

Die chinesische Führung hat die Entwicklung der chinesischen Westprovinzen zur Priorität erhoben. Wir sollten diesen Prozess unterstützen. Die Menschen in Xinjiang sollen menschenwürdige Lebensbedingungen haben, die sie nicht dazu zwingen, als Wanderarbeiter in die übervölkerten Ostprovinzen zu ziehen.

Im vergangenen Jahr ist in Xinjiang ein Aufstand der muslimischen Bevölkerung brutal niedergeschlagen worden; es gab annähernd 200 Tote. Werden Sie das zum Thema machen?

Ramsauer:

Natürlich werde ich danach fragen. Ich bin gespannt auf die Erklärungen. Meines Wissens hatte das weniger politische Gründe. Uns muss es darum gehen, die Region zu stabilisieren. Dann kann auch die Zentralregierung die Zügel lockerer lassen. Materieller Wohlstand wird dazu beitragen.

In Deutschland hat sich die Debatte um die Integration von Muslimen verschärft. CSU-Chef Seehofer fordert einen Zuwanderungsstopp. Liegt er richtig?

Ramsauer:

Wir können die Augen nicht vor der Realität verschließen: Deutschland ist de facto zu einem Einwanderungsland geworden. Der Ruf nach billigen Arbeitskräften darf aber nicht dazu führen, dass Menschen nach Deutschland kommen, die nicht bereit sind, sich zu integrieren.

Herr Ramsauer, mehrere Wirtschaftsvertreter in Ihrer Delegation sind an Stuttgart 21 beteiligt. Können Sie Ihnen Hoffnung machen, dass das Bahnprojekt trotz aller Proteste gebaut wird?

Ramsauer:

Der Bund ist bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in der Pflicht - die Verträge hatte bereits mein Amtsvorgänger abgeschlossen. Mir hat noch niemand einen rechtlich tragenden Grund nennen können, mit dem man aus diesen bindenden Verträgen aussteigen könnte. Beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist die Bahn ihrerseits zudem im Besitz zahlreicher Vertragsverpflichtungen. Das spricht für sich.