Im Westen angekommen: Wie war das damals auf dem Weg in die Freiheit? Neun aus der DDR stammende Abendblatt-Mitarbeiter erinnern sich an ihre Erlebnisse, Eindrücke und Emotionen

Als wir zum ersten Mal mit unserem hellblauen Trabi von Rostock nach Lübeck knatterten, war die Grenze gerade mal ein paar Tage offen. Meine Schwester und ich winkten aufgeregt anderen Fahrern zu, die hupend und ebenfalls winkend an uns vorbeirauschten. Was für eine Freude! Bei unserer Ankunft in der Hansestadt drückte mir ein älterer Herr auf dem Parkplatz 20 Westmark in die Hand. Meiner Mutter war das schrecklich peinlich, während ich im Stillen sofort nachrechnete, wie viele Überraschungseier wir uns dafür kaufen könnten.

Zielstrebig steuerten wir einen Discounter an. Staunend standen wir vor einer Pyramide aus Dosen-Ananas. Nur ein paar Pfennige sollte eine Dose kosten? Die eingebeulten waren sogar noch reduziert. Warum verlangte man im Delikatladen bei uns unverschämte 16 DDR-Mark? Nur zu Familienfeiern leistete man sich diesen Luxus. Dann lag in der Mitte der Obsttorte ein Ananasring, damit jeder Gast ein Stückchen abbekam. Und hier wurden einem diese exotischen Früchte quasi hinterhergeworfen. Und es kam noch besser: In der Obstabteilung lagen Früchte, deren Namen wir noch nicht einmal gehört hatten. Okay, Bananen kannten wir mehr oder weniger vom Hörensagen. Aber was bitte sollte eine Kiwi sein? Die Vielfalt war berauschend. Alles war bunt und aufregend. Plötzlich gab es so viel Neues zu entdecken. Meine Euphorie war grenzenlos.

Vom Begrüßungsgeld kaufte ich mir übrigens eine Barbie. Ja, damals spielten Zehnjährige noch mit Puppen. Auf der Rückfahrt hielt ich sie stolz im Arm.