Im Westen angekommen: Wie war das damals auf dem Weg in die Freiheit? Neun aus der DDR stammende Abendblatt-Mitarbeiter erinnern sich an ihre Erlebnisse, Eindrücke und Emotionen

Meine erste Westreise sollte auch meine letzte werden. Als am 24. Oktober 1989 meinem Antrag auf "einmalige Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland" stattgegeben wurde, konnte ich mein Glück kaum fassen. Mein Onkel Hans, der Bruder meines Vaters, feierte im schwäbischen Herrenberg seinen 70. Geburtstag, und die DDR-Reisebestimmungen ließen für bestimmte Anlässe Besuche bei nahen Angehörigen zu.

Einmal im Westen, hatte meine Verwandtschaft dann auch gleich eine Rundreise organisiert (ich wurde von Tante zu Onkel, von Cousin zu Cousine weitergereicht), die schließlich am 9. November 1989 bei meiner Cousine Christa in Heusenstamm (Hessen) enden sollte. Als wir am Abend eines wunderbaren Tages (ich sah zum ersten Mal den Rhein live) etwas erschöpft den Fernseher einschalteten, glaubten wir zunächst, im falschen Film zu sein. In Berlin war die Mauer gefallen! Unfassbar! Dann hatten sich ja unsere Demos in Leipzig gelohnt. Wir konnten es kaum glauben und lagen uns weinend vor Freude in den Armen, denn von jetzt an konnten wir uns zu jeder Zeit sehen und waren nicht auf die Willkür staatlicher Stellen angewiesen. Wolfgang, der Mann meiner Cousine, öffnete sofort eine Flasche Sekt, und wir haben - Ost und West - gemeinsam auf dieses historische Ereignis angestoßen.

Seit jenem 9. November 1989 ist es für Christa und mich jedes Jahr ein Ritual, an diesem Datum ein ganz besonders inniges Gespräch zu führen, um uns zu erinnern und zu freuen.