Vereint stemmen sich Arbeitgeber, Gewerkschaften und CSU gegen die Regierungspläne

Hamburg. In einem ungewöhnlichen Bündnis gehen Arbeitgeber und Gewerkschaften gegen die geplante Gesundheitsreform vor. Auch die CSU meldet Bedenken gegen den Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) an. Morgen will das Kabinett die Reform beschließen.

Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kritisierte die Anhebung der Versicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dem Abendblatt sagte Hundt: "Die Koalition hat stabile Beiträge und die Entkopplung der Gesundheitskosten vom Arbeitsverhältnis versprochen. Tatsächlich werden jetzt die Beiträge zulasten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern deutlich erhöht." Das sei der falsche Weg, betonte der Arbeitgeber-Präsident. Die Beitragserhöhung treibe die Arbeitskosten in Deutschland weiter nach oben. "Das belastet Wirtschaft und Beschäftigung beim Aufstieg aus dem tiefen Konjunkturtal."

Laut Röslers Reformvorschlag soll der Beitragssatz für die gesetzliche Krankenkasse ab 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen. Zugleich sollen künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen allein von den Versicherten über Zusatzbeiträge bezahlt werden. Bislang war dieser Zusatzbeitrag begrenzt auf maximal ein Prozent des Einkommens. Jetzt sollen es zwei Prozent sein.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) monierte eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte dem Abendblatt, Schwarz-Gelb plane "eines der größten Umverteilungs- und Belastungsprogramme gegen die Bürgerinnen und Bürger". Trotz geschönter Rhetorik könne der Minister nicht verschleiern, dass die 70 Millionen Versicherten nach seinen Plänen künftig alle Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung alleine bezahlen sollen - und dies auch noch in Form von Kopfpauschalen. "Wir halten Röslers Pläne für zutiefst ungerecht", sagte Buntenbach.

Der DGB appellierte an die CSU, die Reform zu verhindern. "Wir fordern insbesondere die CSU, die noch im Sommer erklärt hat, dass es mit ihr keine Kopfpauschale geben werde, dazu auf, die Rösler-Pläne zu stoppen", so Buntenbach. "Das ist auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit."

In der CSU kündigt sich bereits Widerstand an. Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger lehnt die Koalitionspläne für einkommensunabhängige Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung ab. "Eine Pauschale ist, auch wenn mit einem Sozialausgleich verbunden, ungerecht und belastet die kleinen und niedrigen Einkommen überproportional", zitierte die "Passauer Neue Presse" aus einem Brief Straubingers an die Mitglieder der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Er werde deshalb nicht zustimmen.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich kündigte Änderungen beim Gesetzentwurf an. Natürlich bleibe es bei der verabredeten Grundstruktur, so Friedrich im Abendblatt. "Aber es gehört zur parlamentarischen Normalität, dass bei jedem Gesetz im Bundestag noch Detailveränderungen vorgenommen werden. Das wird bei der Gesundheitsreform nicht anders sein." Er forderte die Koalition auf, die Änderungsvorschläge ernst zu nehmen und gegebenenfalls umzusetzen. "Wir müssen die kritischen Hinweise der Gesundheitsexperten der Koalition aufnehmen." Rösler verteidigte die Reform. Angesichts der demografischen Entwicklung und aufgrund des technischen Fortschritts könne das Gesundheitssystem nicht billiger werden, sagte er im ARD-"Bericht aus Berlin".