Partei verständigt sich auf Wehrpflicht-Ende und vermeidet Kursdebatte. Merkel schlägt Steinbach erneut zur Beauftragten von Menschenrechten vor.

Berlin. Wer eine leidenschaftliche Aussprache über die angebliche Vernachlässigung des konservativen Flügels erwartet hatte, der wurde gestern vom CDU-Bundesvorstand enttäuscht. Zwar barg allein schon die Teilnahme der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach einen gewissen Zündstoff, nachdem die 67-Jährige zuvor ihren Rückzug aus dem Gremium angekündigt und öffentlich beklagt hatte, Konservative wie sie seien in der Partei nicht mehr erwünscht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm dem gleich zu Beginn der Sitzung die Spitze, indem sie sich klar gegen den Vorwurf verwahrte, Konservative hätten in der CDU keine Heimat mehr.

Offenbar in Absprache mit Fraktionschef Volker Kauder schlug Merkel vor, Steinbach im September erneut an die Spitze der Fraktions-Arbeitsgruppe "Menschenrechte und humanitäre Hilfe" zu wählen. Merkel, die verkündete, sie sei mit Steinbachs Arbeit "sehr zufrieden", will Steinbachs kompletten Rückzug aus der CDU verhindern; schließlich geht es darum, die Vertriebenen an die Union zu binden. Bevor Kauder den Streit mit Steinbach für beendet erklärte, kam es allerdings noch zu einem kurzen Wortgeplänkel. Erika Steinbach hielt dem Fraktionsvorsitzenden vor, er habe behauptet, sie mache "immer nur Ärger". Kauder stritt das mit den Worten ab, so etwas habe er niemals gesagt - und wenn doch, dann "nur im Spaß".

Die Parteispitze hatten Merkel und Kauder gestern auf ihrer Seite. CDU-Generalsekretär Herrmann Gröhe , ein Merkelianer, fasste das Treffen so zusammen: "Zu keinem Zeitpunkt ist der Eindruck entstanden, dass Teile der Parteiführung der Meinung sind, es bedürfe einer grundlegenden Kurskorrektur, weil es eine programmatische Fehlentwicklung gegeben hat." Gröhe wischte die Warnungen vor dem Entstehen einer neuen Partei rechts von der CDU beiseite. Er sprach von Scheindebatten um eine "virtuelle Partei", meinte aber, die Union müsse sich wieder stärker als "Partei der inneren und äußeren Sicherheit" profilieren. Der Generalsekretär sagte, im Führungsgremium der Partei gebe es "eine große Offenheit" für den Plan von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) , die Wehrpflicht auszusetzen. Ein Beschluss sei noch nicht gefasst worden. Gröhe sprach von einer "internen Diskussionsoffensive", die man im Vorfeld des November-Parteitages starten wolle. Bereits im September werde es eine "empfehlende Entscheidung" geben. Auf gar keinen Fall will die Union den Vorwurf auf sich ziehen, sie habe die Wehrpflicht - die immer ein besonderes Anliegen des konservativen Flügels gewesen ist - an der Öffentlichkeit vorbei abgeschafft.

Möglicherweise spielt dabei auch die Einschätzung des Meinungsforschungsinstituts Emnid eine Rolle. Demnach hält jeder fünfte Deutsche eine rechtskonservative Partei neben der CDU für denkbar. Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Eckhard Jesse sieht diese Gefahr nicht. "Eine Partei rechts von der Union wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn sie würde sofort in die radikale Ecke geraten, egal, ob sie das will oder nicht."

Eine neue demokratische Partei als Sammelbecken unzufriedener Wähler hätte nur dann eine Chance, wenn sie Repräsentanten aus beiden großen Volksparteien aufbieten könnte, sagte Jesse dem Hamburger Abendblatt. "Zum Beispiel vom Format eines Peer Steinbrück , eines Wolfgang Clement und eines Friedrich Merz." Es sei nämlich nicht nur das Problem der Union, sondern auch der SPD, dass die Parteiflügel stark an Bedeutung eingebüßt hätten. In der Union habe die Kanzlerin durch ihre Politik dafür gesorgt, dass es nun "eine alles bestimmende diffuse Mitte" gebe. Das habe eine tiefe Resignation auf dem rechten Flügel bewirkt. "Da gibt es das Gefühl, mit den Wertvorstellungen, die unter Helmut Kohl noch gegolten haben, ins Hintertreffen geraten zu sein." In dieser neuen Mitte fehle es an der Bereitschaft, sich mit unbequemen Themen zu beschäftigen. Das habe der Fall Sarrazin bewiesen. "Das war eine verpasste Gelegenheit. Und dass die Union nun versucht, dem Thema nachzuhecheln, das die Bevölkerung bewegt wie kein anderes, riecht nach Opportunismus."