Peter Wenig, 49 Sportchef beim Abendblatt

Es war ein Termin, auf den ich wochenlang hingearbeitet hatte. Ein Besuch im Nike-Hauptquartier in Beaverton im amerikanischen Westen. Inklusive eines Interviews mit dem Nike-Chefentwickler und eines anschließenden Besuchs im Labor, wo der Sportartikelriese sehr geheim die nächste Turnschuh-Revolution vorbereitete. Der Start in Frankfurt am Morgen des 11. September 2001 verlief völlig reibungslos. Auf den Mini-Bildschirmen der Economy-Klasse flimmerte irgendein belangloser amerikanischer Film, die pappigen Nudeln waren wie immer alles andere als al dente.

Der Blick auf die Uhr verriet, dass wir in etwa vier Stunden auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen landen würden. Die Maschine nach Portland sollte ich also problemlos erwischen. Als die Lautsprecher knarzten, dachte ich, dass jetzt eine der üblichen und wirklich verzichtbaren "Minus 40 Grad Außentemperatur"-Informationen folgen würde. Doch dann kamen jene Sätze, die mir noch heute, neun Jahre später, im Ohr geblieben sind, als wäre es gestern gewesen: "Hier spricht Ihr Kapitän. Ich muss Sie leider informieren, dass wir umkehren müssen. In New York hat es ein schweres Unglück gegeben. Offenbar ist ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen." Die Schockstarre im Flieger währte während der gesamten englischen Übersetzung; das Unterhaltungsprogramm wurde sofort abgeschaltet, die Bildschirme blieben schwarz. Dann erhoben sich zahlreiche Passagiere; die Schlange am Bordtelefon wurde länger und länger.

30 Minuten später die nächste Durchsage. Die ersten schrecklichen Details. Über viele Tote, den Terrorverdacht. Und nur mit großer Mühe konnte der Kapitän seine Tränen unterdrücken. Den Rest des Fluges saß ich wie paralysiert auf meinem Gangplatz in einer der letzten Reihen im Flieger. Direkt vor mir schluchzte eine Frau, war auch von der Stewardess nicht zu trösten. Im Regen von Frankfurt setzte die Maschine dann eine Stunde später auf.

Als ich mein Handy wieder aktivierte, waren 14 Nachrichten auf meiner Mailbox. Freunde, Verwandte, Kollegen - sie alle baten um sofortigen Rückruf. Das wahre Ausmaß der Katastrophe begriff ich erst, als ich auf den Fernsehern in der Lufthansa-Lounge die Bilder der zusammenstürzenden Zwillingstürme sah. An jedem 11. September denke ich seitdem an meinen Flug Frankfurt-New York zurück. Und an die Worte des Kapitäns: "Ich muss Sie leider informieren, dass wir umkehren müssen."