Heidi und Gerd Hellmuth, 61 und 65 Pensionäre

Am 11. September 2001 war die Welt um uns herum wohl die heilste, die man sich vorstellen kann: Wir waren auf einem Viehscheid im Oberallgäu, das ist der Tag, an dem die Kühe von der Alm ins Tal getrieben werden. Ein großer Feiertag in Bayern, sogar die Kinder haben frei, und genauso fühlten wir uns: irgendwie in Festtagsstimmung.

Dann klingelte unser Handy. Unsere jüngste Tochter war dran, die so aufgeregt war, dass wir sie kaum verstanden. Da standen wir also, zwischen geschmückten Kühen und stolzen Bauern, und erfuhren, dass zwei Passagiermaschinen in das World Trade Center gerast waren. Eine völlig absurde Situation. Wir machten uns sofort auf den Heimweg.

Unsere älteste Tochter war im Sommer 2001 nach Washington DC gegangen, um zu promovieren; sie machte gerade ein Praktikum beim TV-Sender NBC und hatte ab und zu auch im Pentagon zu tun. Wir versuchten, sie zu erreichen, aber: keine Verbindung. Als wir dann in unserer Ferienwohnung den Fernseher einschalteten, waren wir wie vor den Kopf geschlagen. Erst da wurde uns bewusst, was wirklich passiert war. Und wir erfuhren von dem Flugzeug, das auf das Pentagon gestürzt war. Und wussten nicht: Ist das jetzt der Anfang dieses Tages oder schon das Ende? Dieses Ereignis auch nur in Ansätzen zu begreifen gelang uns nicht. Und wir erreichten unsere Tochter nicht mehr.

Die Leitungen nach Washington DC waren entweder überlastet oder offiziell lahmgelegt. Erst in der späten Nacht hörten wir dann die Stimme unserer Tochter - der erste Moment des Tages, an dem wir mit Sicherheit wussten: Ihr ist nichts passiert. Was für eine Erleichterung. Sie erzählte uns von ihrem Tag, es klang wie aus einer anderen Welt. Das öffentliche Leben in Washington war komplett zusammengebrochen. Es gab keinen Nahverkehr mehr, auch Autos fuhren keine, die Straßen sollten frei bleiben für Rettungswagen und Transferfahrten der Regierungsmitglieder. Kneipen und Restaurants blieben geschlossen; um nicht allein zu Hause zu sitzen, traf man sich in Hotelbars. Das taten auch Dorle und ihr damaliger Lebensgefährte. Dessen Eltern lebten in einem kleinen Ort in der Nähe von New York, wo besonders Pendler wohnten, denen das Leben in der Großstadt zu laut war. Manche Nachbarn, die er noch Tage zuvor gesehen hatte und die an diesem Tag zum Arbeiten ins World Trade Center gefahren waren, kehrten nie wieder heim.