Ex-Christdemokrat gründet in Berlin “Die Freiheit“. Fall Steinbach erregt CDU und CSU

Berlin/Hamburg. Einen Tag nach dem angekündigten Rückzug der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach aus dem Bundesvorstand der CDU haben Unions-Politiker die Befürchtung geäußert, dass die Christdemokraten ihr konservatives Profil verlieren. Sie warnten, eine neue Partei rechts von CDU und CSU könne etliche Unions-Wähler auf ihre Seite ziehen. Unterdessen kündigte am Freitag der Berliner Parlamentarier und frühere CDU-Politiker René Stadtkewitz an, er werde eine neue konservative Partei mit dem Namen Die Freiheit gründen.

"Es gibt ein Potenzial für eine neue Partei am rechten Rand", sagte der CSU-Innenpolitiker Norbert Geis dem Abendblatt. "Das bedeutet für die großen Parteien, dass sie das Problem nicht aussitzen dürfen." Union und SPD müssten die Sorgen der Bevölkerung hinsichtlich der Integrationsprobleme, die es mit muslimischen Migranten gibt, jetzt ernst nehmen, sagte Geis. "Denn diese Sorgen werden sich mit dem Abgang von Thilo Sarrazin nicht in Luft auflösen." Auch der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt warnte vor einer Spaltung der Union und der Entstehung einer Protestpartei rechts von CDU und CSU. Der Verzicht von Steinbach auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Bundesvorstand sei ein "erstes Zeichen der Desintegration" bei den Christdemokraten. Steinbach hatte ihre Rückzugsentscheidung vor allem damit begründet, dass sie mit ihren konservativen Positionen in der CDU zunehmend isoliert sei. In der Unions-Fraktion hatte sie für einen Eklat gesorgt, als sie darauf hinwies, dass Polen im März 1939 eine Teilmobilmachung ausgerufen habe. Dies müsse man noch sagen dürfen, so Steinbach. Später versicherte sie, sie habe Polen damit keine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geben wollen. Im Fraktionsvorstand kritisierte Steinbach auch scharf den Umgang der Merkel-Regierung mit Thilo Sarrazin.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte dem Abendblatt: "Wir müssen verhindern, dass sich immer mehr Konservative in der Union heimatlos fühlen." Dafür mache er aber nicht Kanzlerin Merkel und ihre Politik verantwortlich. Wenn die Konservativen unzufrieden seien, müssten sie stärker selbst Themen setzen und inhaltlich Position beziehen.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte dagegen davor, jetzt eine Diskussion über ein schärferes konservatives Profil der Union zu beginnen. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) versicherte: "Konservative haben und werden auch in Zukunft in der CDU ihre Heimat finden." Bouffier ist Nachfolger von Roland Koch, der sich - wie bereits vor Jahren Friedrich Merz - zum Bedauern vieler CDU-Konservativer aus der Politik zurückgezogen hat.

Die neue Rechts-Partei Die Freiheit will zuerst in Berlin und dann auch bundesweit antreten. Ihr Gründer René Stadtkewitz war erst vor drei Tagen aus der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ausgeschlossen worden. Den Rauswurf hatte die CDU auch damit begründet, dass Stadtkewitz sich weigerte, den niederländischen Rechtspopulisten und Islamhasser Geert Wilders von einer Veranstaltung am 2. Oktober in Berlin wieder auszuladen. Stadtkewitz bestritt, dass seine neue Partei ein deutscher Ableger von Wilders' Partei für Freiheit (PVV) werden solle. Der 45-Jährige sagte, er habe sich auch wegen der "Hetzjagd" auf Thilo Sarrazin (SPD) zur Parteigründung entschlossen. Laut einer Umfrage des Instituts Emnid würden 18 Prozent der Deutschen Sarrazin wählen, falls dieser eine eigene Partei gründen sollte.