Die Empfindungen der Bundesbürger sind 20 Jahre nach der deutschen Einheit gespalten. Westdeutsche sehen die Einheit kritischer.

Berlin. Mehr als jeder dritte Westdeutsche empfindet für sich persönlich durch die Einheit mehr Verlust als Gewinn. Elf Prozent hätten gar am liebsten die Mauer zurück. Dies geht aus dem „Sozialreport 2010“ hervor, den der Sozial- und Wohlfahrtsverband Volkssolidarität am Dienstag in Berlin vorstellte.

Danach sind die Stimmungen und Empfindungen der Bundesbürger 20 Jahre nach der deutschen Einheit gespalten. Während im Osten 42 Prozent der Bürger durch die Einheit für sich Gewinne sehen, sind dies im Westen nur 37 Prozent. 52 Prozent der Westdeutschen gehen davon aus, dass es dem Osten inzwischen besser geht – teilweise sogar besser als dem Westen. 75 Prozent der Ostdeutschen sind in diesem Punkt genau anderer Meinung. Aber nur 9 Prozent sehnen sich nach der DDR zurück.

Für die Studie wurden vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) 2090 Bürger in allen Bundesländern befragt. Bundesweit meinen 40 Prozent, dass Ost und West inzwischen zusammengewachsen sind, und sehen nur noch kleine Unterschiede. Dagegen stellen 56 Prozent immer noch große Unterschiede fest oder glauben, dass es diese auch noch in 50 Jahren gibt.

Die Bilanz der deutschen Einheit wird in Ost und West konträr bewertet: In den alten Bundesländern sehen 47 Prozent der Befragten die Einheit als weitgehend vollendet an, im Osten sind dies nur 17 Prozent. Verbandspräsident Gunnar Winkler warnte vor einer „Atmosphäre des gegenseitigen Aufrechnens“. Mehr als die Hälfte der Ostdeutschen wolle laut der Umfrage weder die DDR wiederhaben noch fühle sie sich in der Bundesrepublik schon richtig wohl. Das habe vor allem mit der sozialen Lage zu tun.

Insgesamt sind laut Umfrage die Bürger der Bundesrepublik in der Mehrheit zufrieden mit ihrem Leben. Mit 62 Prozent Zufriedenen fällt die Bewertung der allgemeinen Lebenslage im Westen allerdings positiver aus als im Osten, wo 51 Prozent zufrieden sind.

In Ost wie West erwarte eine Mehrheit, dass sich im sozialen Bereich weiter einiges verschlechtere, sagte Winkler. In dem Report wird darauf verwiesen, dass derzeit bundesweit 18 Prozent der Erwachsenen unterhalb der Armutsrisikoschwelle lebten (weniger als 800 Euro im Monat). Im Osten sind dies 24 Prozent, im Westen 16 Prozent.

Der Verband forderte bei der Rentenversicherung Korrekturen zugunsten von Langzeitarbeitslosen, Niedrigverdienern und erwerbsgeminderten Menschen. Zudem dürfe das Leistungsniveau in der Rentenversicherung nicht weiter abgesenkt werden, sagte Winkler. Wie auch bei anderen Umfragen spricht sich im Sozialreport eine große Mehrheit der Bürger gegen die Rente mit 67 aus.