Peter Wank sucht an einer Hamburger Schule Nachwuchs für die Bundeswehr. In Zeiten von Truppenverkleinerungen und gefährlichen Auslandseinsätzen ein schwieriger Job

Oberleutnant Peter Wank vergewissert sich, dass der Beamer funktioniert, dann sagt er: "Ja, schönen guten Morgen." Die Rekrutierung beginnt. Morgens um 6.15 Uhr ist er von seinem Wohnort Lüneburg ins Kreiswehrersatzamt Hamburg an der Sophienterrasse gefahren. Dort hat er seinen Laptop und den Beamer in einen Rollkoffer gepackt und ist in den silbernen Dienst-Golf gestiegen. Und ist in den Einsatz gefahren. Zur August-Hermann-Francke-Schule auf der Uhlenhorst.

"Es ist für mich leichter, wenn ich euch duze. Ist das okay?" Es ist okay. Vor Oberleutnant Wank im Arbeitsraum 213 sitzen ungefähr 50 Schüler. Diese Woche ist Projektwoche, das "Europa Jugend Büro" stellt Freiwilligendienst-Projekte im In- und Ausland vor, die AOK kommt, die Arbeitsagentur. Und die Bundeswehr.

Es ist Mittwoch, vor zwei Tagen hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verkündet, dass er die Truppenstärke verkleinern will. Dass er die Wehrpflicht aussetzen möchte. Es waren keine guten Nachrichten für Oberleutnant Wank. Er steht im Klassenraum, die Schüler mustern seinen Dienstanzug: dunkelblaue Hose, kurzärmliges hellblaues Hemd, Schulterklappen. Die Schüler schauen nach vorn, auf die Leinwand. "Peter Wank" steht da, 37 Jahre alt, ledig, eine zweieinhalbjährige Tochter, Hobbys sind Tennis, Snowboarden und der HSV. Zustimmendes Gemurmel ertönt.

"Früher, da wollte ich verweigern und Zivildienst machen. Da hatte ich eine Haarlänge wie du." Wank zeigt auf einen rothaarigen Jungen. Hihihi. Der Witz klappt immer.

"Ich will euch was über mich persönlich erzählen", sagt Wank. Er will Vertrauen schaffen. Die Jugendlichen gehören zum elften und zwölften Jahrgang, werden bald das Abitur machen. Gerade diese Menschen braucht die Bundeswehr. Die Bundeswehr, so die Meinung von vielen in der Truppe, verabschiedet sich durch Guttenbergs Reform aus dem Familienalltag und damit aus der Gesellschaft. Die Bundeswehr kann so zur Randgruppe werden. Deshalb schickt sie Wehrdienstberater wie Wank in die Schulen, auf Messen. Seit drei Jahren arbeitet Wank in der "Nachwuchsgewinnung". 120 Schulbesuche macht er pro Jahr. Seine Aufgabe wird immer wichtiger: Wenn die Wehrpflicht wegfällt, muss die Bundeswehr über die Wehrdienstberater den Kontakt zur Gesellschaft halten. 700 freiwillige Bewerbungen gehen jährlich aus Hamburg bei der Bundeswehr ein - es sollen mehr werden. Bislang machte Wank die Nachwuchswerbung allein, jetzt sitzt Hauptmann Michael Fritz hinten im Klassenraum. Seit Juli arbeitet auch er sich in die Rekrutierung ein.

Ein Nachbar, der als Jetpilot bei der Bundeswehr arbeitete, überzeugte Peter Wank damals von der Bundeswehr. Hier kann man viele Berufe lernen, hier kann man früh Personalverantwortung übernehmen. Wank entschied sich für eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Luftwaffe, arbeitete an Standorten in Bayern, in Rom, in Niedersachsen und schließlich in Hamburg. Er machte die typische Dienstgrad-Karriere - vom Flieger bis zum Oberleutnant. Er ist ein Kumpeltyp, er kann gut reden, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. In einem gefährlichen Auslandseinsatz der Bundeswehr war er bisher nicht - er kennt nur die friedliche Bundeswehr, nicht die kämpfende.

"Warum soll die Bundeswehr denn kleiner werden?" Wank ist zum ersten Mal gefordert. "Weil der Bundesminister der Finanzen gesagt hat, dass Einsparungen gemacht werden sollen", sagt er. Jetzt müssen bis zu 80 000 Stellen eingespart werden. "Werden die jetzt alle entlassen?", sorgt sich eine Schülerin. Nein, sagt Wank. "Da brauchen wir keine Angst zu haben." Stellen für Soldaten, die in den Ruhestand gehen, werden nicht neu besetzt, und die Wehrpflichtigen fallen ja auch weg.

Und wie ist das mit der Wehrpflicht? "Prinzipiell finde ich, dass die Wehrpflicht eine gute Sache ist. So hatten viele Menschen in Deutschland Berührung mit der Bundeswehr." Mehr Kritik will er sich nicht erlauben.

Schnell lenkt er über zu seinem Lieblingsthema: den Job-Chancen. Wank drückt auf eine Taste, die Einstellungsvoraussetzungen bei der Bundeswehr erscheinen auf der Leinwand: mindestens 17 Jahre, keine Vorstrafen, keine hohen Schulden, charakterliche und körperliche und geistige Eignung - das reicht. Bei den Vorstrafen könne man noch reden, wenn es nur eine Jugendsünde sei, sagt der Rekrutierer.

Er fängt an, Ausbildungsberufe an die Wand zu projizieren: Bademeister, Betonbauer, Koch, Vermessungstechniker. Einige Schüler fangen an zu gähnen, Betonbauer finden sie uncool.

"Die Bundeswehr hat keinen Numerus clausus", wirbt der Wehrdienstberater. Da horchen einige wieder auf. Medizin könne man hier studieren, Geschichte, Politik, Volkswirtschaftslehre, ja sogar Kapellmeister. "Und das bei vollem Gehalt. Ab dem ersten Tag!" 3090 Euro netto bekommt ein verheirateter Hauptmann nach neun Dienstjahren bei der Truppe. Krisensichere Arbeitsplätze, kleine Kurse, kurze Wege, nette Kameraden. Allerdings einen Haken habe die Sache: Man müsse sich für einige Jahre verpflichten; wer Medizin studieren will, muss für 17 Jahre bei der Bundeswehr bleiben.

Ach ja, und wo er gerade bei den Haken ist: An der Waffe muss man sich natürlich bei der Bundeswehr ausbilden lassen. Und auch dafür bereit sein, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch in den Auslandseinsatz versetzt zu werden. "Dort kann es zu Kampfhandlungen kommen, zu Verwundung, zu Tod", sagt Wank. Er startet einen Film der Bundeswehr, deutsche Soldaten bei der Patrouille in Afghanistan. Es ist erstaunlich, wie ehrlich die Soldaten in dem Image-Film den Nutzen ihres Einsatzes bewerten dürfen: "Etwas Selbsthilfe, mehr nicht", heißt es da. Ein Werbe-Video sieht anders aus. Die Schüler schweigen betreten, der Krieg ist für einen Moment ins Hamburger Klassenzimmer eingezogen.

"Glauben Sie, dass Afghanistan je in der Lage sein wird, sich selbst zu organisieren?", fragt Christian, 15, schließlich. Der Oberleutnant muss nachdenken. "Ich weiß es nicht", sagt er dann.

"Das ist die Kehrseite der Medaille", sagt Oberleutnant Wank. "Es gibt bestimmt keinen Beruf, in dem alles klasse ist." Dann spricht er von den 100 Euro, die Soldaten in Afghanistan bekommen, pro Tag. Und davon, dass Polizisten öfter ihr Leben riskieren müssen als Soldaten, statistisch gesehen.

Nach 70 Minuten ist der Vortrag beendet, die Schüler klatschen. "Wartet nicht zu lange. Langweilig wird euch in diesem Beruf nie werden", sagt Wank noch, während er Info-Material verteilt.

In manchen Hauptschulklassen wird Wank gefragt, wie man Scharfschütze wird. "Wir wollen keine schießwütigen Rambos. Wir wollen selbstständig denkende junge Menschen", sagt er dann. Wank muss weiter, die nächste Schulklasse wartet auf ihn.

Die Schüler gehen wieder in ihren Klassenraum. "Es war ganz interessant", sagt Denise. "Ja, aber irgendwie auch unübersichtlich", sagt Friederike. "Für mich war die Bundeswehr bislang immer mit Kämpfen und Kriegen verbunden. Dass es dort so viele Jobs gibt, habe ich gar nicht gewusst", sagt Christian, der sich vorhin über den Afghanistan-Einsatz informiert hat. Sein Namensvetter, der andere Christian, will unbedingt zum Bund, am liebsten zu den "Gebirgsstürmern". Warum? Auch, weil er das Gehalt "sympathisch" findet.

Die Schülerinnen und Schüler stimmen ab: Wer würde eine Ausbildung bei der Bundeswehr machen? Drei Jungs melden sich. Drei von 50. So gesehen war die Mission des Oberleutnants Wank ein Erfolg.