Die FDP lässt Bundestagspräsident Norbert Lammert prüfen, ob Sellering auf Staatskosten Parteienfinanzierung betrieb.

Hamburg. Nicht nur der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat Ärger wegen der von seiner Staatskanzlei in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen. Jetzt gerät auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) aufgrund einer Umfrage auf Steuerzahlerkosten in die Kritik.

Eine 85 000 Euro teure Erhebung mit dem Namen "Mecklenburg-Vorpommern Monitor 2008", die die Schweriner Staatskanzlei vor zwei Jahren beim Münchner Forschungsinstitut Polis/Sinus bestellt hatte, ist inzwischen zu einem Fall für Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) geworden. Mecklenburg-Vorpommerns FDP-Landesvorsitzender und parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, forderte Lammert gestern auf zu prüfen, ob es sich bei der Meinungsumfrage um einen Fall unzulässiger Parteienfinanzierung handelt. Der Bundestagspräsident lässt bereits seit vergangener Woche untersuchen, ob die CSU gegen das Parteiengesetz verstoßen hat.

In dem Brief an den Parlamentspräsidenten, der dem Abendblatt vorliegt, schreibt Ahrendt, dass die Umfrage für die Schweriner Staatskanzlei "nur auf Druck der Opposition vollständig veröffentlicht" worden sei. Der anfangs zurückgehaltene Teil der aus Steuermitteln finanzierten Meinungsumfrage habe sich auch mit "Imagefragen zum Ministerpräsidenten" beschäftigt, so Ahrendt in seinem Schreiben an Lammert. Dem Abendblatt sagte der FDP-Politiker: "Wenn Parteien wissen wollen, wie sie wirken, dann sollen sie selbst solche Umfragen bezahlen. Das ist nicht die Aufgabe von Staatskanzleien und Steuerzahlern." Mit Blick auf die anhaltende Kritik der SPD an Bayerns Regierungschef Seehofer betonte Ahrendt: "Die SPD verhält sich scheinheilig, wenn sie einen Ministerpräsidenten der CSU für eine Praxis angreift, die ein Ministerpräsident der SPD genauso in Anspruch nimmt. Daher müssen beide Fälle vom Bundestagspräsidenten untersucht werden."

Mecklenburg-Vorpommerns Regierungssprecher Andreas Timm fürchtet keine Konsequenzen durch die Bundestagsanalyse. "Einer Prüfung sehen wir mit Gelassenheit entgegen. In der Umfrage sind Planungsdaten für die Regierungsarbeit erhoben worden", betonte Timm im Abendblatt. Außerdem habe der Landesrechnungshofpräsident seinerzeit die Auftragsvergabe geprüft, so der Regierungssprecher.

Bekannt ist jedoch auch, dass der Landesrechnungshof Anfang 2009 die Schweriner Staatskanzlei wegen der Umfrage aufgefordert hatte, für künftige Erhebungen eine tiefere Begründung und eine bessere Dokumentation zu erbringen. Die CDU kritisierte damals außerdem, dass das Unternehmen Polis/Sinus der SPD nahestehe.

Unterdessen sieht sich in Bayern Ministerpräsident Seehofer weiter dem Vorwurf der verdeckten Parteienfinanzierung ausgesetzt. Die SPD wirft der Staatskanzlei vor, in Meinungsumfragen auch Empfehlungen für die Politik der CSU erhalten zu haben. Nach Angaben der SPD wird unter anderem in einer von drei insgesamt 108 000 Euro teuren Resonanzstudien empfohlen, die politische Auseinandersetzung auf SPD und Grüne zu konzentrieren, um die Freien Wähler nicht aufzuwerten.

Die Sozialdemokraten nehmen nun auch den früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) ins Visier. Stoiber habe eine Staatskanzlei-Umfrage im Interesse der CSU aus dem Jahr 2006 zu verantworten, kritisierte gestern der SPD-Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher. "Dies ist eindeutig unzulässig", schrieb er in einem offenen Brief an den CSU-Ehrenvorsitzenden. In der Umfrage aus Stoibers Regierungszeit seien auch Parteipräferenzen abgefragt worden, so der SPD-Politiker. Nach der Staatsanwaltschaft und dem Bundestag prüft inzwischen auch der Bayerische Oberste Rechnungshof diese sogenannten Resonanzuntersuchungen der Staatskanzlei.

Regierungen in Bund und Ländern lassen regelmäßig die Meinung der Wähler zu ihrem eigenen Ansehen oder dem der Oppositionsparteien und zu aktuellen Fragen ermitteln. Auch die saarländische Staatskanzlei zog vor einem Jahr im Wahlkampf die Kritik der Opposition auf sich, weil die CDU-geführte Landesregierung seit dem Regierungswechsel 1999 zwölf Umfragen für insgesamt rund 214 000 Euro in Auftrag gegeben hatte. Bei der letzten Erhebung Anfang 2009 hatte die Staatskanzlei auch die Einstellung der Saarländer zu einem möglichen rot-roten Bündnis nach der Landtagswahl und zu Oskar Lafontaines Kandidatur als Ministerpräsident ermitteln lassen.