Der CSU-Chef profiliert sich auf Kosten der Berliner Koalition.

"Wir sind eine Volkspartei - wir sind keine Klientelpartei", verkündete CSU-Chef Horst Seehofer auf der Landesversammlung der Jungen Union (JU) Bayern am Wochenende. Bravo! So soll es sein. Politik ist schließlich die Kunst des Machbaren, der auf demokratischer Grundlage organisierte Interessenausgleich zwischen verschiedenen Bevölkerungs- und Wirtschaftsgruppen.

Theoretisch hat der bayerische Ministerpräsident also keinen Nachholbedarf. Praktisch handelt er aber anders. Wer sich beim Thema Laufzeiten von Kernkraftwerken einseitig die Argumentation der Energiekonzerne zu eigen macht, entfernt sich nicht nur vom Etikett Volkspartei, sondern auch vom Koalitionsvertrag und den Regierungspartnern. Nicht wesentlich sensibler geht der wackere Bayer beim Thema Wehrpflicht und Bundeswehrreform vor, zu dem er eigentlich bis zum Herbst nichts mehr sagen wollte. Nun grätscht er seinem eigenen Parteifreund zu Guttenberg in die Parade, der in seinem Arbeitsstab zumindest über eine Aussetzung der Wehrpflicht nachdenken lässt - was Seehofer nun für so unmöglich hält, dass er sein selbst auferlegtes Schweigegelübde bricht.

Und schließlich behauptet Seehofer noch, in der CSU sammelten sich die "Anhänger von Recht und Ordnung", weshalb die Partei die Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht akzeptieren könne. Dummerweise hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zuvor befunden, dass eben genau die nachträgliche Sicherungsverwahrung Recht und Ordnung widerspräche - jedenfalls im rechtsstaatlichen Sinne.

Den hat Seehofer bei diesem wie bei allen anderen Themen aber weniger im Blick. Nach all den Schlappen der vergangenen Jahre ist ihm das Wohl der einstigen bayerischen Staatspartei derzeit näher als erfolgreiche Politik im fernen Berlin. So spricht aus ihm eher Volkes Stimme - oder das, was Seehofer dafür hält. Wenigstens im Freistaat.

Aus bayerischer Sicht mag der selbst ernannte Volkstribun damit vielleicht recht haben, obwohl bisher auch kein Aufwärtstrend in Richtung einstiger absoluter Mehrheiten zu erkennen ist. Wer aber auch Chef einer der Koalitionsparteien im Bund ist, darf ruhig auch einen Blick über den heimischen Tellerrand riskieren. "Wir sind optimierungsfähig im Verkauf unserer Politik", hat Seehofer noch gemeint. Das lässt zumindest auf leise Zweifel am eigenen Tun schließen. Dem sei noch hinzugefügt, dass sich das Volk heute eben auch nicht mehr alles andrehen lässt.