Regierung will nichts von einer Vorentscheidung für künftigen Betrieb von Atomkraftwerken wissen

Berlin. Die Union bemüht sich, den parteiinternen Streit über die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke einzudämmen. Sowohl Bundesregierung als auch Unionsfraktion dementierten gestern vehement jede Festlegung bei dem Thema und verwiesen auf den bisherigen Zeitplan. Weder gebe es eine Einigung auf eine durchschnittliche Laufzeitverlängerung von 14 Jahren noch über neue Sicherheitsanforderungen an Atommeiler, hieß es in Regierungskreisen. "Es gibt keinen neuen Sachstand", betonten ein Sprecher des Umweltministeriums und ein Regierungssprecher. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte gestern in Berlin: "Der Fahrplan besagt, dass bis Ende August die Energieszenarien berechnet werden und bis Ende September das gesamte Energiekonzept der Bundesregierung ausgearbeitet werden wird." Die Sicherheit der Meiler stehe obenan. "Wir haben ja nie einen Zweifel daran gelassen, dass Sicherheit für uns der zentrale Maßstab ist."

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bekräftigte, die Abschaltung älterer Atomkraftwerke (AKW) sei möglich und überfällig. Mit dem angeblichen Kompromissvorschlag erkenne die Bundesregierung an, "dass es bei deutschen AKW eklatante Sicherheitsmängel gibt", sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl.

Auslöser der Debatte waren Berichte im "Spiegel" und in der "Süddeutschen Zeitung" über angebliche Vorentscheidungen in der Regierung. Demnach will die Regierung neue Sicherheitsanforderungen stellen, nach denen bereits im Jahr 2011 einige ältere Kraftwerke stillgelegt werden müssten. Für die Atomwirtschaft sind allerdings gerade die älteren und abgeschriebenen Kraftwerke lukrativ. Ihre Strommengen könnten die Energiekonzerne den Berichten zufolge auf jüngere Meiler übertragen. Da angeblich alle 17 Reaktoren zusätzliche Strommengen für sechs oder acht Jahre erhalten sollen, könnten die jüngeren deutlich länger am Netz bleiben als bislang vorgesehen.

"Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden das Energiekonzept der Regierung auf unserer Fraktionsvorstandsklausur Anfang September gründlich diskutieren und uns eine Meinung dazu bilden", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmeier. "Vor diesem Zeitpunkt wird keine Entscheidung fallen."

Auch die unionsgeführten Bundesländer hielten sich gestern in der Debatte zurück. "Es gibt derzeit viele Gerüchte. Wir warten deshalb das Energiekonzept der Bundesregierung ab", sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums dem Abendblatt.

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner machte unterdessen deutlich, dass ihr Bundesland längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke nur zustimmen werde, wenn ein erheblicher Teil der Zusatzerträge für die AKW-Betreiber in den Ausbau von Ökoenergien fließe. "Diese Verknüpfung ist uns wirklich sehr wichtig", sagte Gönner. Es müsse klar sein, dass der Weg in die erneuerbaren Energien führe. Zu den Spekulationen über die Länge der Laufzeitverlängerung äußerte sich Gönner nicht. Die Zahl 14 Jahre, die am Wochenende aufgekommen war, wollte sie nicht kommentieren. Es sei aber gut möglich, "dass man sich am Ende dort trifft".