Der Bundeswehrverband rechnet mit Einführung der Freiwilligen-Armee. Der Koalitionspartner FDP erhofft sich finanzielle Spielräume.

Hamburg. Frühestens Ende August soll es das Konzept zur Zukunft der Bundeswehr geben. Die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) , den Pflichtdienst an der Waffe zu beenden, werden jedoch schon jetzt immer konkreter. Während sich sein Ministerium dazu gestern noch bedeckt hielt, sorgte das mehrfach genannte Datum für den Wechsel in die Freiwilligen-Armee, der 1. Juli 2011, für Unruhe in den Koalitionsparteien. Die FDP gab sich erfreut über die Entwicklung. Die CSU verwies auf die kommenden Parteitage der Union, in denen sich die Parteien endgültig festlegen wollen.

Dagegen zeigte sich Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) entsetzt über die Wehrdienstpläne der Koalition. Im Abendblatt griff Sellering die schwarz-gelbe Regierung scharf an. "Ich finde die Vorgehensweise der Bundesregierung abenteuerlich. Erst wird im Hauruck-Verfahren der Wehrdienst unnötig verkürzt, dann über eine Strukturreform geredet, zwischendurch die Wehrpflicht insgesamt infrage gestellt", kritisierte der SPD-Politiker. "Da geht alles durcheinander. Das ist keine solide Politik", sagte Sellering.

Der Ministerpräsident forderte, "zunächst klar zu definieren, welche Aufgaben die Bundeswehr künftig übernehmen soll, und dann zu entscheiden, welche Strukturen man dafür braucht". Und da sage er ganz klar: "Ich will nicht, dass wir eine auf Kriegseinsätze wie in Afghanistan spezialisierte Bundeswehr bekommen. Ich will, dass wir weiter eine Wehrpflicht-Armee mit dem Schwerpunkt der Landesverteidigung haben", so der Ministerpräsident.

Bei den Modellen, die die zukünftigen Szenarien für die Bundeswehr beschreiben, geht eines von der Aussetzung der Wehrpflicht aus. In diesem Fall soll die Zahl der Soldaten von etwa 252 000 auf rund 170 000 sinken. Bei einem anderen Modell würde die sechsmonatige Wehrpflicht beibehalten, wobei die Zahl der Soldaten auf 205 000 zurückginge. Eine Variante mit nur noch 150 000 Soldaten ist dafür vom Tisch. Ursprünglich soll das Verteidigungsministerium die Aussetzung der Wehrpflicht zunächst für den 1. Januar 2011 geplant haben und sei dann mit Rücksicht auf die Parteitage von CDU und CSU auf den 1. Juli umgeschwenkt, heißt es in Koalitionskreisen.

Die FDP reagierte gestern positiv auf die Entwicklungen . Der FDP-Verteidigungsexperte im Bundestag, Joachim Spatz, sagte dem Abendblatt: "Ich sehe noch keine Vorentscheidung, aber einen starken Hinweis, dass die Aussetzung der Wehrpflicht bevorsteht." Wenn die Aussetzung zum 1. Juli komme, "freuen wir uns". Aber der Zeitpunkt sei vorerst sekundär. "Sorgfalt in der Umsetzung geht vor Schnelligkeit", betonte das Mitglied im Verteidigungsausschuss. Der FDP-Politiker verspricht sich von der Abkehr von der Wehrpflicht eine spürbare Entlastung des Verteidigungsetats: "Wir brauchen dringend finanzielle Spielräume für die Truppe im Einsatz, sodass die Aussetzung der Wehrpflicht inzwischen unausweichlich ist. Wenn wir den alten Zopf Wehrpflicht endlich abschneiden, machen wir die Bundeswehr wieder handlungsfähiger", sagte Spatz.

CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn machte hingegen keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: "Ich war immer ein großer Anhänger der Wehrpflicht. Aber der sechsmonatige Wehrdienst ist leider der Einstieg in den Ausstieg gewesen", sagte Hahn dem Abendblatt. "Bisher habe ich noch niemanden getroffen, der mir glaubhaft darlegen konnte, dass die sechs Monate wirklich sinnvoll zu gestalten sind", kritisierte er. "Die CSU ist und war schon immer die Partei, die entschieden für die Interessen der Bundeswehr eintritt. Ich bin deswegen überzeugt, dass die große Mehrheit der Partei auch bei dieser umfangreichen Reform im Interesse der Bundeswehr handeln wird", betonte das Mitglied im Verteidigungsausschuss.

Der Bundeswehrverband geht laut Sprecher Wilfried Stolze zwar davon aus, dass es generell zu einem freiwilligen Grundwehrdienst kommt. "Das wäre ein Kompromiss, der noch machbar ist", sagte er. Dass es bereits zum 1. Juli so weit ist, konnte er aber nicht bestätigen. "Wir haben das noch nicht gehört."

Für wenig plausibel hält den Juli-Termin auch der Linken-Verteidigungspolitiker Paul Schäfer. "Ich rechne eher damit, dass das zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt", sagte er. Wahrscheinlicher sei der 1. Januar 2012. An der Aussetzung führe kein Weg vorbei. Mit Blick auf die Union, die die Wehrpflicht verteidigt, sagte er: "Die Stimmen des Zwangs der Ökonomie werden sich Geltung verschaffen."

Für Anfang September ist geplant, dass Guttenberg mit dem Bundeswehrverband über seine Pläne berät. Danach soll sich die Union festlegen: Die CSU debattiert am 29. und 30. Oktober auf ihrem Parteitag in München über die Zukunft der Wehrpflicht. Die CDU berät darüber auf ihrem Parteitag am 15. und 16. November in Karlsruhe.