Verfassungsrichter geben Hauptschullehrer recht. Entscheidung kostet Fiskus eine Milliarde Euro

Karlsruhe/Berlin. Die Bundesregierung muss sich einem Hauptschullehrer geschlagen geben. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur steuerlichen Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers für verfassungswidrig erklärt. Nach der gestern in Karlsruhe veröffentlichten Entscheidung können Arbeitnehmer die Kosten für ihr häusliches Arbeitszimmer voll absetzen - unabhängig davon, wie viele Stunden in der Woche sie darin arbeiten (Az.: 2 BvL 13/09).

Seit Anfang 2007 wurde ein häusliches Arbeitszimmer nur noch dann steuerlich anerkannt, wenn der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung stellte. Geklagt hatte ein Hauptschullehrer aus Nordrhein-Westfalen, der sein privates Arbeitszimmer täglich zwei Stunden lang zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts nutzte. Der Schulträger hatte die Bereitstellung eines Arbeitszimmers in der Schule abgelehnt. Dennoch wollte das Finanzamt die häuslichen Arbeitszimmerkosten für das Jahr 2007 in der Einkommenssteuererklärung nicht anerkennen, weil das häusliche Arbeitszimmer nicht den "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" bilde.

Muss es auch nicht, sagen die Karlsruher Richter, denen das Finanzgericht Münster die Frage zur Entscheidung vorgelegt hatte. Sie sahen den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Denn stelle der Arbeitgeber kein Arbeitszimmer zur Verfügung, müssten die Kosten ebenso von der Steuer abgesetzt werden können wie bei Arbeitnehmern, die ihren gesamten beruflichen Mittelpunkt zu Hause haben.

Das Urteil wird für den Fiskus schmerzhaft teuer. Nach Schätzung der Steuergewerkschaft geht es um eine Milliarde Euro, denn nun können etwa eine Million Arbeitnehmer ihr häusliches Arbeitszimmer mit bis zu 1000 Euro steuerlich geltend machen. Das gilt in erster Linie für die rund 750 000 Lehrer in Deutschland. Nach Angaben des Deutschen Lehrerverbands wird das Urteil aber auch die Schulträger entlasten. "Müssten diese nämlich für alle Lehrer in Deutschland in den Schulen Arbeitsräume einrichten, so wäre dafür ein Investitionsvolumen von rund 30 Milliarden Euro notwendig geworden", sagte Verbandspräsident Josef Kraus. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verwies auf sein Urteil von 1999. Damals galt eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit häuslicher Arbeitszimmer auf 1250 Euro im Jahr, sofern kein anderer Arbeitplatz zur Verfügung stand. Ob der Gesetzgeber an dieser Pauschale festhalten wird, ist noch nicht klar. Er dürfte aber an einer zügigen Lösung des Problems interessiert sein, weil sonst eine Welle von Einsprüchen auf ihn zurollen wird.

Das Bundesfinanzministerium hat bereits eine baldige Neuregelung angekündigt und mitgeteilt, die Finanzämter würden entsprechende Steuerbescheide bis dahin nur noch vorläufig festsetzen. Soweit vorläufige Bescheide nach einer Neuregelung zu ändern seien, solle dies direkt von den Finanzämtern erledigt werden - ein Einspruch der Betroffenen sei nicht erforderlich. Eine Änderung endgültiger Steuerbescheide, die nicht angefochten wurden, komme allerdings nicht in Betracht.

Leo Dautzenberg, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte gestern, man werde eine "sachgerechte Lösung" erarbeiten, die für die Steuerzahler auch "verständlich und transparent" sein werde. "Rechtssicherheit ist das oberste Gebot für CDU und CSU", versicherte Dautzenberg. "Luftbuchungen" seien nicht die Sache seiner Partei.