Der Hamburger Volksentscheid strahlt auf andere Länder ab

Hamburg/Erfurt. In Thüringen denkt man über Konsequenzen aus dem Volksentscheid in Hamburg nach. "Gespräche", "Konsens", "die Eltern und Lehrer mitnehmen" sind Schlagworte, die Politiker nun unmittelbar an die dort ebenfalls geplante Einführung einer Gemeinschaftsschule bis Klasse Sechs knüpfen. Und es gibt Warnungen. Vor allem aus der CDU. Man dürfe den "Markenkern" der Partei auch in einer Koalition mit den Sozialdemokraten nicht aufgeben - das gegliederte Schulsystem mit einem starken Gymnasium. Denn ähnlich wie in Hamburg will die Große Koalition aus CDU und SPD in Thüringen die Gemeinschaftsschule einführen, das zuständige Ministerium wird von Christoph Matschie (SPD) geführt.

Bereits zum neuen Schuljahr soll die Gemeinschaftsschule als Pilotprojekt starten. In vorerst sechs Schulen lernen Kinder dann bis zur achten Klasse gemeinsam, bevor sie sich für die Regelschule oder das Gymnasium entscheiden. Die Schulart wird parallel und auf freiwilliger Basis eingeführt. Das Gesetz zum regulären Start der Schulreform soll im Herbst verabschiedet werden. Einen ersten Beschluss hatte die Regierung im Juni gefällt - auf Basis des im Herbst ausgehandelten Koalitionsvertrags. Doch jetzt geht die CDU auf Distanz. Es gebe Grenzen des Kompromisses mit dem Koalitionspartner, sagte der Fraktionschef der Thüringer CDU, Mike Mohring, kürzlich. Indirekt befeuert wurde die Debatte aus Bayern. Die Konsequenz des Volksentscheids von Hamburg, wo die Bürger mehrheitlich gegen die Einführung der Primarschule gestimmt hatten, müsse lauten: Schluss mit den Schulexperimenten. So hatte es CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gesagt. Ähnlich die Position in Sachsen-Anhalt: Die von den Grünen favorisierte Schulpolitik habe einen ganz erheblichen Dämpfer erhalten, sagte Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU). Nach dem Hamburger Nein zur Schulreform sieht die CDU auch in den Ländern die Notwendigkeit, ihr bildungspolitisches Profil zu schärfen. Doch in fünf der elf Bundesländer, in denen die Union mitregiert, trägt sie gar keine Verantwortung für die Bildungspolitik: Neben Thüringen gilt das für Hamburg, das Saarland, Hessen und Schleswig-Holstein. In den anderen -Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt - dauert die Grundschule vier Jahre.

Doch nicht nur in Thüringen musste die CDU Zugeständnisse an den Koalitionspartner machen. Auch im Saarland sind die Grünen dabei, ihr Konzept für längeres gemeinsames Lernen durchzusetzen. Dort soll die bisher vierjährige Grundschulzeit um ein Jahr verlängert werden. Vor allem die FDP will die auf Druck der Grünen im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform innerhalb der Jamaika-Koalition aber nun "neu diskutieren". Auch innerhalb der CDU soll es die Erwartung geben, dass ihr Ministerpräsident Peter Müller im Herbst die Grünen zur Abkehr der Reform bewegen werde.

Für Christoph Matschie in Thüringen hat der Entscheid von Hamburg keine Auswirkungen auf die geplante Reform. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf Umfragen, wonach 70 Prozent der Eltern im Osten für das längere gemeinsame Lernen votieren. Das weiß man auch in der CDU.