Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritisiert Berater, Kunden zu Unterschriften unter Beratungsprotokolle zu nötigen.

Hamburg. Seit Jahresbeginn müssen Banken ihre Anlageberatung protokollieren. Davon sollen vor allem die Kunden profitieren, um vor Falschberatung geschützt zu werden. Doch nach Erkenntnissen des Verbraucherschutzministeriums lassen Bankberater die gesetzlichen Regelungen mitunter vorsätzlich außer Acht. Auch hat das Ministerium Informationen darüber, dass Bankberater immer wieder Kunden nötigen, Protokolle zu unterschreiben, obwohl die Unterschrift für das Zustandekommen eines Anlagegeschäfts gar nicht erforderlich ist. Denn offiziell muss nur der Berater das Protokoll unterschreiben, nicht aber der Kunde.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) geht mit der Branche hart ins Gericht: "Die Banken und die Finanzdienstleister haben anscheinend die Finanzkrise und den daraus entstandenen Vertrauensverlust vergessen. Sonst würden sie alles tun, damit die Kunden wieder Vertrauen fassen", sagte Aigner dem Hamburger Abendblatt. "Mangelhafte oder fehlerhafte Protokolle sind garantiert der falsche Weg, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen."

Viele Banken glaubten noch immer, sie könnten die Wünsche und Vorstellungen ihrer Kunden ignorieren, sagte die Ministerin weiter. Es könne nicht sein, dass gerade in den Beratungsgesprächen gesetzliche Vorgaben teilweise bewusst umgangen werden.

Aigner forderte die Banken auf, ihre bisherigen Protokollvorgaben zu überprüfen. "Vordrucke, die den gesetzlichen Mindestanforderungen nicht entsprechen, lediglich vorformulierte Textbausteine enthalten und keinen Platz für die tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden zulassen, gehören aus dem Verkehr gezogen", betonte sie und forderte: "Der Verbraucher soll durch ein Beratungsprotokoll in seinen Rechten gestärkt und nicht geschwächt werden. Hier sind die Banken in der Pflicht, endlich ihrer Verantwortung nachzukommen." Mit dem Beratungsprotokoll kann sich ein Anleger im Falle einer Falschberatung auf die Protokollierung der Beratung berufen und besitzt damit das erforderliche Beweismittel für die Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche.

Die Ministerin machte deutlich, dass Berater, die ihre Kunden unter Druck setzen, sie zur Unterschrift nötigen oder sogar das Wertpapiergeschäft ablehnen, wenn der Kunde das Beratungsprotokoll nicht unterschreibt, "gegen die gesetzlichen Vorgaben" handeln. Doch die Ministerin sieht die Hauptschuld daran nicht bei den Beratern selbst, sondern bei der Leitungsebene der Banken. "Oft sind nicht die Berater das Problem, sondern falsche Vorgaben aus den Chefetagen." Nach Ansicht Aigners muss auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihrer Kontrollpflicht intensiver nachgehen. "Die BaFin muss den Finger auf die Wunde legen und die Banken und Finanzdienstleister stärker kontrollieren", forderte die Ministerin. "Außerdem sollte sie Vorgaben machen, die die Qualität der Beratungsprotokolle verbessern. Das könnte durch Rundschreiben geschehen", schlug Aigner vor.

In der jetzigen Regelung für Beratungsprotokolle, die seit dem 1. Januar 2010 gilt, müssen Banken und Finanzdienstleister über jede Anlageberatung bei Privatkunden ein schriftliches Protokoll erstellen, das dem Kunden nach Abschluss des Beratungsgesprächs, aber noch vor Abschluss des Geschäfts auszuhändigen ist. Auch die wesentlichen Inhalte der Protokolle sind gesetzlich klar vorgegeben: der Beratungsanlass, die Dauer des Beratungsgesprächs, die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten Empfehlungen und die Gründe sind genau zu dokumentieren. Doch mit diesen Vorgaben nehmen es etliche Bankberater nach Ministeriumsinformationen nicht so genau.

Auch die BaFin verfügt über Informationen, wonach Banken der Protokollpflicht ungenügend nachkommen. In einer Marktuntersuchung in der ersten Jahreshälfte hatte die Bankenaufsicht ermittelt, dass ein Viertel der Institute sogar ein Wertpapiergeschäft ablehnt, wenn der Kunde nicht unterschreibt. Unzufrieden sind auch die Verbraucherschützer. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisiert, dass das Ziel der Bankprotokolle verfehlt wurde. Die Protokolle ließen oftmals nicht erkennen, wie das Beratungsgespräch tatsächlich abgelaufen sei, so die Kritik.