Nach den Hitzepannen wächst der Druck auf die Bahn, ihre Kunden besser zu entschädigen. Bahnchef Grube sagt umfassende Aufklärung zu.

Belin. Verbraucherschützer haben als Entschädigung für Reisende, die unter dem Ausfall von Klimaanlagen in Zügen zu leiden hatte, ein angemessenes Schmerzensgeld gefordert. Der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV), Gerd Billen, nannte als Richtschnur einen Betrag von 300 Euro pro Person. Bisher zahlt die Bahn maximal 150 Prozent des Fahrpreises – in Reisegutscheinen. „Das reicht nicht“, sagte Billen dem Berliner „Tagesspiegel“ (Montag). Solange nicht garantiert sei, dass die Züge störungsfrei führen, solle die Bahn auf den ICE-Zuschlag verzichten, forderte die Staatssekretärin im Bundesverbraucherschutzministerium, Julia Klöckner. Wie der verbraucherpolitische Sprecher der FDP- Bundestagsfraktion, Erik Schweickert, plädierte sie dafür, dass die Bahn nicht länger nur Reisegutscheine an geschädigte Kunden ausgibt, sondern auf Wunsch das Geld auszahlt.

Bahn-Chef Rüdiger Grube schließt ein Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter nicht aus . „Es sind anscheinend Fehler gemacht worden. Die Staatsanwaltschaft und auch wir untersuchen diese Fälle derzeit ganz genau. Und die Wahrheit muss auf den Tisch“, sagte Grube dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Er verwahre sich aber gegen Vorverurteilungen und eine pauschale Verunglimpfung des Zugpersonals. Für Krisenfälle gebe es genaue Handlungsanweisungen. Dazu gehöre, den Wagen schnell zum Stillstand zu bringen und zu versuchen, die Klimaanlage wieder in Gang zu kriegen. Falle sie aus, müsse ein Ersatzzug organisiert werden. Das habe ein paar Mal nicht geklappt, räumte Grube ein und sagte zugleich schnelle technische Lösungen zu. Weitere Ausfälle der Klimaanlagen in den betroffenen Zügen seien zwar nicht auszuschließen: „Wenn ich sagen würde, es fällt diesen Sommer nie wieder eine Klimaanlage aus, dann würde ich lügen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir Tag und Nacht arbeiten werden, um die Probleme in den Griff zu kriegen.“

+++ Wenn die Hitze im Zug unerträglich wird - diese Rechte haben Sie +++

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte die Informationspolitik der Bahn scharf. „Das war Salamitaktik und kein Krisenmanagement“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. „Erst waren angeblich nur zwei, drei Züge betroffen, dann Dutzende. Inzwischen ist klar, dass es sich um ein generelles Problem handelt.“ Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte Grube, die Bahn wolle die Klimaanlagen ihrer ICE-Züge nun schneller modernisieren. Aber nicht nur die Fahrzeuge, auch das Netz und die elektronische Leit- und Sicherheitstechnik müssten an nun häufiger extreme Wetterlagen angepasst werden. Kritik übte Grube erneut an der Bahnindustrie. „Natürlich bin ich verärgert. Weil letztlich unsere Kunden und unsere Mitarbeiter die immer neu auftretenden Probleme bei den Zügen ausbaden müssen.“ Jede der bislang ausgelieferten Baureihen habe ihre Macken gehabt. Zur Frage, ob die Industrie mithaften müsse, sagte Grube dem „Spiegel“: „Darüber können wir reden, wenn wir die Probleme im Griff haben.“ Die Pannenserie wird am Dienstag auch bei einer Sitzung des Bundestagsverkehrsausschusses in Berlin erörtert. Daran sollen auch Vertreter der Bahn und des Verkehrsministeriums teilnehmen.

Als Reaktion auf die Hitzepannen wollen Verbraucherpolitiker den Kunden künftig einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung einräumen. Bisher sind Schadenersatzansprüche auf Zugverspätungen und-ausfälle beschränkt. „Wenn man im Urlaub durch Baulärm gestört wird oder im Hotel die Klimaanlage ausfällt, kann man ja auch den Reisepreis mindern“, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der CDU-/CSU-Fraktion, Lucia Puttrich, dem „Tagesspiegel“. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) machte den vor Jahren geplanten Börsengang für die Mängel verantwortlich. „Der heutige Bahnvorstand um Rüdiger Grube löffelt die Suppe aus, die von der alten Unternehmensführung vor Jahren eingebrockt worden ist“, sagte er dem „Focus“. Grube bestritt dies in der „FAS“. „Unsere Recherchen bestätigen nicht, dass die jetzigen Probleme mit dem Sparkurs vor dem geplanten Börsengang in der Ära Mehdorn zusammenhängen.“