Datenschützer reichen Verfassungsbeschwerde gegen das Zensus-Gesetz ein. Auch Religionszugehörigkeit soll abgefragt werden.

Karlsruhe. Wie viel darf der Staat über seine Bürger wissen? Und sind die Daten, die er sammelt, ausreichend geschützt? Mit diesen Fragen müssen sich nun die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe auseinandersetzen. Am Freitag reichten Bürgerrechtler eine Verfassungsbeschwerde gegen die für 2011 geplante bundesweite Volkszählung ein und übergaben eine Unterschriftenliste von 13 000 Unterstützern der Beschwerde.

Die Datenschützer halten das sogenannte Zensus-Gesetz, das der Volkszählung 2011 zugrunde liegt, in Teilen für verfassungswidrig. "Ein großes Problem stellt der Datenschutz und dabei insbesondere die Datensicherheit dar", erklärte die Bremer Rechtsanwältin Eva Dworschak, die die Beschwerdeschrift für den "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" erstellt hat. So seien die Daten aus der Volkszählung 2011 durch eine eindeutige Personenkennziffer vier Jahre oder länger zuzuordnen. Eine solche Ordnungsnummer sei vom Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 verboten worden.

Das Zensus-Gesetz setzt eine EU-Vorgabe um, der zufolge die Mitgliedstaaten alle zehn Jahre eine Volkszählung vornehmen sollen. Die Datenschützer kritisierten jedoch, dass nach sensiblen Daten wie der Religionszugehörigkeit gefragt werde, obwohl die EU-Vorlage dies nicht vorschreibe.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte dem Abendblatt, die Angaben zur Religion seien freiwillig. "Wegen der Bedeutung, die der Religionszugehörigkeit für das Leben der Menschen zukommt, nicht zuletzt für das Verständnis von Prozessen der Integration von muslimischen Zuwanderern und ihrer Kinder, sind vertiefende Informationen hierzu wichtig."

Laut Kritikern werden sensible persönliche Daten ohne Einwilligung der davon Betroffenen zusammengeführt. "Die Daten von Meldeämtern und Behörden werden somit zweckentfremdet, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird verletzt." Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, teilt die Sorgen der Zensus-Gegner. Dem Abendblatt sagte er: "Als Risiken der Volkszählung sehe ich die zentrale Speicherung und die Tatsache, dass eine Identifizierung des Befragten über eine Ordnungsziffer möglich ist - auch wenn diese Zurückverfolgung verboten ist."

Würden diese sensiblen Daten ausschließlich statistisch verwendet, sei die Erhebung problemlos, sagte Weichert. "Es gibt aber durchaus das Risiko, dass die gesammelten Informationen zweckentfremdet werden und nicht bei den Statistischen Landesämtern bleiben, sondern zum Beispiel an Jugend- oder Ordnungsbehörden weitergereicht werden." Sollten die Daten für andere als nur für statistische Zwecke erhoben werden, "wäre die Volkszählung meiner Meinung nach klar verfassungswidrig".

Jan Korte, Mitglied des Fraktionsvorstands der Linken, kritisierte, in seiner jetzigen Form sei das Zensus-Gesetz ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte, das Gesetz genüge längst nicht den Vorgaben des Verfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung. Das Innenministerium zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass das Gesetz bestehen werde. Es sei intensiv beraten worden, auch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten. Im Vergleich zur Volkszählung von 1987 sei das Verfahren bürgerfreundlicher und kostengünstiger. Es würden auch nur zehn Prozent der Bevölkerung als Stichprobe befragt.