Nach dem Denkzettel bei der Bundespräsidenten-Wahl setzen CDU-Ministerpräsidenten die Kanzlerin unter Druck

Berlin. Die drei langen Wahlgänge bis zum Sieg von Christian Wulff bei der Bundespräsidentenwahl haben in der schwarz-gelben Koalition eine Führungsdebatte ausgelöst. Angela Merkel mag es gestern wie ein vierter Wahlgang vorgekommen sein: Mehrere CDU-Ministerpräsidenten kritisierten das Erscheinungsbild der Regierung und forderten die Kanzlerin und ihre Minister auf, jetzt entschlossen zur Sacharbeit zurückzukehren.

Mit Blick auf die 44 Abweichler, die es im ersten Wahlgang gegeben hatte, sprach der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) von einem "klaren Signal der Unzufriedenheit und des Unbehagens" in und an der Koalition. "Es gibt auch das Bedürfnis nach mehr Führung und nach mehr Einbindung", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagte dem Abendblatt: "Die Menschen erwarten, dass die Koalition, der der Wähler den Regierungsauftrag gegeben hat, geschlossen auftritt und die Probleme des Landes löst." Ähnlich äußerte sich Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU): "Wir haben in Berlin ein paar Baustellen, über die dringend entschieden werden muss - in einem ordentlichen Verfahren, in einer sachlichen und konstruktiven Diskussionskultur mit den Koalitionsfraktionen und in Absprache mit den Ländern. Sacharbeit ist jetzt das Gebot der Stunde", sagte sie dem Abendblatt.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kritisierte den Ablauf der Präsidentenwahl scharf. "Wenn das die Chance für einen Neustart der Koalition war, haben wir diese Chance verspielt", sagte Tillich zu abendblatt.de. Außerdem kritisierte er, dass einige der Abweichler unter den Wahlleuten von CDU, CSU und FDP gleich in mehreren Wahlgängen Wulff ihre Stimme verweigerten. "Sie haben der Koalition keinen guten Dienst erwiesen."

Stellvertretend für Merkel meldete sich gestern CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu Wort. Es habe sicher den ein oder anderen gegeben, der "an der falschen Stelle" seiner Verärgerung über die Politik der Koalition habe Luft machen wollen. "Wir haben verstanden, aber nicht etwa nur den Denkzettel: Als Koalition müssen wir besser werden", so Gröhe. In der Führung des Regierungsbündnisses sei mehr Teamgeist erforderlich. Dies sei bei mancher "unnötigen Auseinandersetzung" und im Tonfall der Bündnispartner in den letzten Wochen spürbar gewesen. CDU, CSU und FDP hatten sich bei den Streitthemen Gesundheitsreform, Steuern und Wehrpflicht einen heftigen verbalen Schlagabtausch geliefert.

Der neue Bundespräsident selbst bemühte sich gestern, die Wogen zu glätten. Einige Abweichler hätten zwar "eine gewisse Form von Protest gezeigt", sagte Wulff der ARD. Andere aber hätten Gauck gewählt, weil sie dessen Lebensleistung bewunderten.