Für Parteichef Westerwelle wird die Zeit knapp

Berlin. Der Parteivorsitz steht nicht zur Disposition. Noch nicht. Wie hat der Chef des Berliner FDP-Landesverbands, Christoph Meyer, unmittelbar vor Beginn der FDP-Vorstandsklausur gesagt? Es sei ein Gebot der Fairness, "zunächst abzuwarten", was bei diesem Spitzentreffen herauskomme, bevor man den Rücktritt von Guido Westerwelle fordere. Es klang wie eine Drohung.

Westerwelle muss also versuchen, das Ruder auf seinem sinkenden Schiff herumzureißen. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Der Publizist und Politikberater Michael Spreng verweist auf das kommende Jahr mit seinen sechs Landtagswahlen. "Es ist drei vor zwölf", sagte Spreng dem Hamburger Abendblatt. "Wenn sich die FDP jetzt nicht sofort neu erfindet, wird der Parteivorsitzende 2011 von den Landtagswählern ausgewechselt. Und das zu Recht. Guido Westerwelle ist verantwortlich für den Zustand der Partei. Nicht alleine, aber hauptsächlich." Für die FDP, die vor neun Monaten mit 14,6 Prozent gewählt worden sei, gebe es weder Bedarf noch Abnehmer, so Spreng weiter. "Das war die FDP, an der die Weltwirtschafts- und Finanzkrise spurlos vorübergegangen war, die das Personal und das Programm von vor zehn Jahren hatte und programmatisch auf ein einziges Thema verengt war: Steuersenkungen." Man könne bereits wieder das alte Sterbeglöcklein läuten hören. Tatsächlich haben die Liberalen eine dramatische Talfahrt hinter sich. In den Juni-Umfragen sackten sie auf fünf Prozent ab, das war der schlechteste Wert seit 2003.

Im Berliner Thomas-Dehler-Haus ist deshalb allen klar, dass ein Weiterso fatal wäre. Generalsekretär Christian Lindner hat im Vorfeld davon gesprochen, dass der Liberalismus "aktualisiert" werden müsse. Der 31-Jährige, von dem es bislang hieß, er sei noch zu jung für den Parteivorsitz, soll nun die innenpolitische Neuausrichtung der Partei organisieren. Weil Lindner die "Kurskorrekturen" in der Sozialpolitik und auf dem Feld der Bürgerrechte übernimmt, bleibt Westerwelle Parteivorsitzender. Fürs Erste.

Es gehe darum, "mit Inhalten" zu punkten, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der "Welt am Sonntag". Und dass die strategische Neuausrichtung der Partei auch ihrem Vorsitzenden zugute kommen werde, der "zu Unrecht viel vom Missmut über den schlechten Start dieser Koalition" abbekommen habe.

Westerwelle selbst übte in dem von ihm verfassten Strategiepapier auch Selbstkritik. Man habe die massive Kritik an der Partei unterschätzt und müsse jetzt die Vorhaben der FDP besser erklären. "Wir waren auf Demonstrationen von politischen Gegnern eingestellt, aber nicht auf die Widerstände innerhalb der Koalition", formulierte Westerwelle mit Blick auf die Union. Und weiter: "Wir sind entschlossen, aus der Erfahrung der ersten Monate zu lernen. Wir wollen neues Vertrauen und neue Glaubwürdigkeit uns erarbeiten."