Unions-Mittelstand spricht von notwendiger Option, Fraktion weist das zurück

Berlin. Der Streit um die von der Bundesregierung geplante Einführung der Brennelemente-Steuer ist noch nicht beendet. Die Atom-Konzerne verkündeten gestern nach einem Treffen der Vorstände mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, diese zusätzliche Belastung nicht hinnehmen zu wollen. Überraschende Unterstützung bekamen sie von der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT). Die geplante Brennelementesteuer komme ihm mittelalterlich vor, sagte deren Vorsitzender Josef Schlarmann gestern in Berlin. Damals sei man in den Städten herumgegangen und habe gesagt: "Der 15-Fenster-Mann muss mehr bezahlen als der Drei-Fenster-Mann." Diese Art der Steuerpolitik sei allerdings im 19. Jahrhundert abgeschafft worden.

Schlarmann forderte die Bundesregierung zudem auf, auch den Neubau von Atomkraftwerken zu ermöglichen. Bislang plant Schwarz-Gelb lediglich, die Laufzeiten der AKWs zu verlängern. Die Energiekonzerne müssten ihre Option für den Bau neuer Kernkraftwerke zurückerhalten, die Bundesregierung solle endlich aufhören, Industriepolitik zu machen, forderte Schlarmann. Dann könne man auch darüber reden, ob die Atomkonzerne an den Kosten für die Endlagerung beteiligt werden müssten. Indirekt kritisierte Schlarmann in diesem Zusammenhang Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dass die Union in Energiefragen keine einheitlich geschlossene Partei sei, liege daran, dass "nicht überzeugend von der Spitze her geführt" werde. Zur Führung einer Volkspartei gehöre aber "auch Charisma" und "rhetorisches Talent". In der Koalition gibt es bislang keine einheitliche Linie, um wie viele Jahre die Laufzeiten verlängert werden sollen. Auch wird darum gestritten, ob die Brennelementesteuer an die Verlängerung der Laufzeiten gekoppelt werden soll.

Der Vorstoß der Mittelstandsvereinigung löste in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Unmut aus. So wies Fraktionsvize Michael Fuchs die Forderung nach der totalen Beendigung des Atomausstiegs in der "Leipziger Volkszeitung" mit den Worten zurück, in Deutschland stehe genug Energie zur Verfügung. Zur Kritik an Merkel sagte er: "Meine Parteifreunde sollten sich lieber mit dem politischen Wettbewerber beschäftigen, als die anzugreifen, die die tagtäglichen Grabenkämpfe auszuhalten haben." Indirekten Flankenschutz erhielt Merkel auch von der Parteivorsitzenden der Grünen. Claudia Roth sagte dem Abendblatt: "Wenn Herr Schlarmann nun wieder längere Laufzeiten von 28 Jahren fordert, die eh schon viel zu niedrig angesetzte Brennelementesteuer ablehnt und gleichzeitig den Neubau von Atomkraftwerken ins Spiel bringt, zeigt das nur, wie weit sich die Union bereits von der Realität verabschiedet hat. Nicht nur blendet sie die fehlende Bundesratsmehrheit für Schwarz-Gelb sowie die enormen Schulden, die die AKW-Betreiber gegenüber der Bevölkerung angehäuft haben, aus, sie verweigert sich auch dem Mehrheitswillen der Bevölkerung."

Die Versorger betonten, dass eine Klage gegen die geplante Brennelementesteuer, die dem Bund jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen soll, noch nicht vom Tisch sei. "Wir werden rechtliche Schritte prüfen, wenn es zu einer Steuer ohne Ausgleich kommt", sagte ein E.on-Sprecher. Ähnlich äußerten sich Vattenfall und RWE. Am Mittwoch hatten sich die Vorstandschefs von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall mit der Kanzlerin in Berlin getroffen. Dabei war es auch um die geplante Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke gegangen, die sich die Atomkonzerne in einem "satten zweistelligen" Bereich vorstellen.