Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause. Doch der Widerstand in der CDU wächst

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät beim geplanten Betreuungsgeld stärker unter Druck. Nachdem 23 CDU-Bundestagsabgeordnete ihren Widerstand angekündigt hatten, äußerten weitere CDU-Parlamentarier Bedenken gegen die von der CSU forcierten Maßnahme. Der Wandsbeker Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke kündigte in einem dem Abendblatt vorliegenden Brief an Fraktionschef Volker Kauder ebenfalls sein Nein gegen das CSU-Modell des Betreuungsgeldes an. "Das Betreuungsgeld bedeutet gerade für einen großstädtischen Wahlkreis wie meinen in der geplanten Form eine Fehlsteuerung von Sozialleistungen", heißt es in dem Schreiben. Die Kanzlerin hätte für das Vorhaben momentan keine eigene Mehrheit.

Merkel stellte gestern allerdings klar: Die Maßnahme soll kommen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Koalition stehe zu der von CDU, CSU und FDP im November beschlossenen Wahlfreiheit der Eltern in Bezug auf die Betreuung ihrer Kinder bis zum dritten Lebensjahr: "Die politische Entscheidung in der Koalition ist gefallen." Bis zur Sommerpause werde ein Gesetzentwurf eingebracht. Das Betreuungsgeld soll nach bisherigen Plänen ab August 2013 allen Eltern zustehen, die Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren nicht in öffentlichen Betreuungseinrichtungen unterbringen. Im ersten Jahr soll es 100 Euro geben, im folgenden Jahr 150 Euro pro Monat. Den Steuerzahler soll dies 2013 rund 400 Millionen Euro kosten, ab 2014 dann rund 1,2 Milliarden Euro.

CDU-Haushaltsexperte Norbert Brackmann warnte eindringlich vor finanziellen Lücken an anderer Stelle: Das Betreuungsgeld sei im Koalitionsvertrag genauso vereinbart wie der Finanzierungsvorbehalt, sagte Brackmann dem Abendblatt. "Wir nehmen 2013 wieder neue Schulden auf und dürfen keine neuen Ausgaben ohne entsprechende finanzielle Deckung zulassen. Diese Deckung ist beim Betreuungsgeld ab 2014 allerdings nicht mehr gegeben", so der Lauenburger Abgeordnete weiter. Die Finanzierung für das Betreuungsgeld müssten die anderen Ressorts übernehmen. "Uns fehlt dann wichtiges Geld für die Infrastruktur und im sozialen Bereich."

Der Hamburger CDU-Haushaltsexperte Rüdiger Kruse stellte sich hinter die Koalitionsspitzen. "Von der inhaltlichen Frage her bleibt festzuhalten, dass bei uns immer noch die Eltern über die Erziehung der Kinder entscheiden", sagte er dem Abendblatt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt drohte mit dem Bruch weiterer Absprachen im schwarz-gelben Bündnis.

Laut Umfrage des Instituts YouGov ist die Bevölkerung bei dem Thema gespalten. 45 Prozent finden das Betreuungsgeld richtig, ebenso viele halten es für falsch. 73 Prozent fürchten aber, dass viele Kinder etwa aus Migrantenfamilien zu Hause bleiben könnten.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind in Hamburg 16 000 Kinder unter drei Jahren in einer öffentlich geförderten Kindertagespflege untergebracht. Das entspricht einer Betreuungsquote von 32,4 Prozent (Stand: 1. März 2011). Damit liegt Hamburg über dem Bundesschnitt von 25,4 Prozent. In Niedersachsen (19,1) und Schleswig-Holstein (21,8) liegt die Betreuungsquote niedriger, während Berlin (41,9) zu den Spitzenreitern im Bund gehört.