Das Betreuungsgeld untergräbt den Anspruch auf einen Kita-Platz

Immer wenn die CSU wieder mal um ihren "Markenkern" besorgt ist, wird sie ideologisch. Bestes Beispiel ist das Betreuungsgeld. Es solle "eine schlichte ideologiefreie Alternative zur Betreuungsform Krippe" sein, hat Bayerns Familienministerin Christine Haderthauser geradezu gebetsmühlenartig verkündet und damit das Stichwort verraten: Es geht nicht um praktische Hilfen für Eltern und eben gerade nicht um Ideologiefreiheit, sondern um die ideologisch "richtige" Politik. Aber der ungewöhnliche heftige Widerspruch aus CDU-Kreisen zeigt: In der Familienpolitik geht ein Riss durch das konservative Lager.

Vor 30 Jahren behaupteten erzkonservative Propagandistinnen wie Christa Meves noch, die Idee der Vereinbarkeit von Ehe, Kindern und Karriere sei nur ein "Wunschtraum der Feministinnen". Die Verfechterin der Ein-Kind-braucht-die-Mutter-zu-Hause-Idee war auf CDU- wie CSU-Veranstaltungen ein willkommener Gast. Inzwischen hat die Betreuungsdebatte einen klaren Schwenk erfahren. Die Frauenerwerbsquote stieg, der Arbeitsmarkt braucht die gut ausgebildeten Mütter, also führt kein Weg am Ausbau verlässlicher öffentlicher Betreuungsangebote für Kinder vorbei. Das zweite Pro-Kita-Argument entwickelte sich nach dem Pisa-Schock: Kinder gerade aus bildungsfernen Familien brauchen nicht einfach irgendeine, sondern möglichst anregende und schulvorbereitende Betreuung, die sie zu Hause eben nicht bekommen. Diese Erkenntnis wird heute auch in CDU-geführten Bundesländern nicht mehr bestritten. Es ging im Parteienstreit zuletzt nicht mehr um das Ob des Kita-Ausbaus, sondern nur noch um das Wie und die Kosten.

Dass Christine Haderthauser, nach eigenen Worten die "Mutter des Betreuungsgeldes", im Jahr 2012 wieder in die Ideologie-Schlachten der frühen 80er zurückfällt, hat natürlich etwas damit zu tun, dass Bayern beim Ausbau der Kleinkinderbetreuung stark hinterherhinkt. De facto sind Bayerns Mütter vom Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz weit entfernt. Da dreht man bei der CSU die Fakten einfach um: Weil immer noch zwei Drittel aller bayerischen Familien ihre Kinder in den ersten zwei Lebensjahren zu Hause betreuen (müssen), sei das Betreuungsgeld eine Anerkennung dieser "freiwilligen" Leistung.

Bei genauem Hinsehen steht diese "Anerkennung" allerdings auf ganz wackligen Bauklötzchen. Zum einen: Eltern bekommen Kindergeld. Und Aufwendungen für Kinderbetreuung können schon jetzt steuerlich abgesetzt werden, egal ob für Kita oder Tagesmutter. Ist beides etwa keine Anerkennung?

Zweitens: Warum soll der Staat eigentlich zusätzlich 100 Euro (2014 dann 150 Euro) im Monat an Eltern zahlen, damit sie staatlich geförderte Betreuungsangebote nicht in Anspruch nehmen?

Und drittens implodiert auch die Behauptung von der "Wahlfreiheit" zwischen Kita und "privat organisierter" Betreuung. Das Betreuungsgeld ist nämlich keineswegs daran gekoppelt, dass sich Eltern zu Hause um ihre Kinder kümmern und ihnen höchstpersönlich den Angoraziegenquark einflößen wollen. Gezahlt wird es auch, wenn beide Eltern berufstätig sind und eine Tagesmutter oder die Oma einspannen.

Der Unterschied zwischen einer staatlich anerkannten Tagesmutter und einer staatlich geförderten Kita liegt auf der Hand: Die Tagesmutter kostet weniger. Zum CSU-Konzept des Betreuungsgeldes gehört, dass sich jede(r) zur Tagesmutter weiterbilden lassen kann - als wäre das flächendeckend eine Alternative zur Erzieherinnenausbildung bzw. zum Fachhochschulstudium einer Kita-Fachkraft.

Das Betreuungsgeld entpuppt sich damit schlicht als Billigmodell. Das Ziel, Eltern bis 2013 eine bundesweite Betreuungsquote von 35 Prozent zu bieten, wird damit vernebelt.