Berlin. Der kleine Mann mit dem runden Gesicht und der neongelben Weste strahlt. "Ham'Se jesehen? Er hat uns jegrüßt!" Mit dem rechten Ellenbogen knufft er seinem Kollegen in die Seite. "Hast du auch jesehen?" Ja, hat er. Natürlich. Mit einer großen Eskorte von Polizisten auf Motorrädern und in einer schwarzen Limousine mit kleiner Bundesadler-Flagge an der Seite ist eben der frisch vereidigte Bundespräsident Joachim Gauck vom Hof des Reichstags gerollt - und hat lächelnd durch das Fenster gewinkt. Zu den beiden Mitarbeitern der Berliner Verkehrsbetriebe, die in ihren grellen Westen an der Bushaltestelle vor dem Parlamentsgebäude stehen, um Touristen durch den Stadtdschungel zu helfen. Zu den Menschen, die hier auf ihre Linie warten und nicht schnell genug ihre Handys für ein Beweisfoto aus der Tasche ziehen konnten.

Der Präsident der Herzen ist Joachim Gauck noch immer - auch jetzt, da er tatsächlich auch Bundespräsident ist und in einem Mercedes mit kugelsicherem Glas sitzt. Schon immer war er den Menschen nah, mittendrin, ohne Berührungsängste und auch ohne staatsmännische Herablassung. Jetzt bekleidet er das höchste Amt im Land. Hat an diesem Freitagmorgen einen Eid auf das Grundgesetz geschworen mit der Formel "so wahr mir Gott helfe". Hat eine Rede über Mut, Vertrauen, Verantwortung und natürlich sein Lieblingsthema Freiheit gehalten. Stehenden und langen Applaus gab es danach von den versammelten Mitgliedern von Bundesrat und Bundestag. Als Gauck vom Rednerpult wegtritt, die Hände von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und auch seinem Vorgänger Christian Wulff schüttelt, setzt er sich als erster auf seinen Stuhl und steht dann aber doch wieder auf, als er merkt, das alle anderen stehen bleiben. An das Protokoll muss er sich ernst noch gewöhnen.

Vier Ehrenplätze gibt es an diesem Tag im Bundestag. Gauck sitzt hier zwischen seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt zu seiner Rechten und zur Linken neben Bettina Wulff, die wiederum neben ihrem Ehemann sitzt. Nach dem lauten, durch Demonstranten gestörten Zapfenstreich wird jetzt ein würdiger Abschied vom nun ehemaligen Präsidentenpaar vollzogen. Sowohl Lammert als auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der bis zu Gaucks Wahl kommissarisch die Amtsgeschäfte übernommen hatte, finden warme Worte für Wulff. "Es ging Ihnen um ein Deutschland, das offen ist für die Vielfalt der Kulturen", so Seehofer. "Ich danke Ihnen für das, was Sie für Deutschland geleistet haben."

Wie erwartet, sind die Reaktionen auf Gaucks erste Grundsatzrede durchweg positiv. "Das war die beste Rede, die ich bislang hier im Deutschen Bundestag gehört habe", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel fast euphorisch. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ergänzte, die Rede sei beeindruckend gewesen. "Ich verspreche mir von seiner Arbeit, dass er die Menschen ermuntert, dabei zu sein, mitzumachen und sich einzubringen." Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin meinte: "Ich habe am heutigen Tag festgestellt, wir haben einen guten Bundespräsidenten."