Die zweite Tarifrunde für den öffentlichen Dienst ist gescheitert. Nun soll es ab kommender Woche wieder Arbeitsniederlegungen geben.

Potsdam. Kein Nahverkehr, keine Müllabfuhr, geschlossene Kitas und Bibliotheken: Weil die Fronten im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes verhärtet sind, müssen sich die Bürger ab kommender Woche auf eine zweite Warnstreikwelle gefasst machen. Doch das könnte nur der Anfang eines harten Arbeitskampfes sein. Die Gewerkschaften signalisieren nach der gestern ohne Ergebnis verlaufenen zweiten Tarifrunde in Potsdam Kampfbereitschaft wie lange nicht mehr. Die Erwartungen ihrer Mitglieder in den Kommunen und beim Bund sind hoch. Ver.di-Chef Frank Bsirske droht bereits mit einer "großen Streikwelle" - sollte die für Ende März terminierte dritte Verhandlungsrunde ebenfalls ohne Ergebnis bleiben.

Das 3,3-Prozent-Angebot der Arbeitgeber hat nicht gefruchtet. Bsirske und auch der Verhandlungsführer der dbb-Tarifunion, Frank Stöhr, sehen darin ein "reines Ablenkungsmanöver" und ein "mieses Angebot". Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber sollen die Gehälter der rund zwei Millionen Tarifbeschäftigten von Mai an um 2,1 Prozent steigen, von März 2013 an soll es dann noch zusätzlich 1,2 Prozent draufgeben. Laufzeit: 24 Monate. Doch der Tarifvertrag ist bereits Ende Februar ausgelaufen. Zeitversetzte Erhöhungen und die beiden Null-Monate März und April führen laut Gewerkschaftsrechnung allenfalls zu einer Erhöhung von 1,77 Prozent im Monatsschnitt. Dies liege unter dem Inflationsniveau. Bsirske: "Nach zehn Jahren Sparen werden so weitere Reallohnverluste programmiert."

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Ein Müllwerker verdient nach zehn Berufsjahren 2158 Euro brutto, eine Krankenschwester nach elf Jahren 2689 Euro - hinzu kommen unter Umständen Zulagen für schwerere Arbeit oder Nacht- und Sonntagsdienste. Erzieherinnen stehen nach sieben Berufsjahren laut Gehaltstabelle 2619 Euro brutto monatlich zu. Doch 40 Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit - häufig unfreiwillig, weil die Kommunen die Beschäftigungsverhältnisse nicht ausweiten wollen. Mit einem Nettolohn von deutlich unter 1500 Euro lassen sich aber in München, Frankfurt/Main oder Hamburg kaum Mieten und Lebensunterhalt bestreiten.

Aber warum legen die Arbeitgeber ein Angebot vor, von dem von vornherein klar ist, dass es die Gewerkschaften keinesfalls akzeptieren werden? Die Gemeinden stehen mit 128 Milliarden Euro in der Kreide - beim Bund sind es 1,3 Billionen Euro. Das Bundesinnenministerium rechnet vor, dass eine Realisierung der Gewerkschaftsforderungen allein beim Bund mit Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlagen würde - vorausgesetzt, man würde das Tarifergebnis auch auf die 350 000 Beamten des Bundes übertragen, was in der Regel auch geschieht.

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Die Kommunen sind gespalten. Es gibt in ihren Reihen welche, die eher zu Kompromissen neigen und einen schnellen Abschluss wünschen. Anderen sitzt die Schuldengrenze härter im Nacken. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wirft den Gewerkschaften Uneinsichtigkeit vor und sieht die Warnstreiks als überflüssig an: "Die Bevölkerung soll jetzt die Suppe auslöffeln." Sein Verhandlungspartner, der Präsident der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, warnt vor einer weiteren "Eskalation".

Bsirske lacht darüber. "Am Verhandlungstisch gehen wir doch alle höflich miteinander um", ruft er den beiden nach dem ergebnislosen Treffen in Potsdam zu. Nun setzen die Arbeitgeber auf die dritte Runde - und hoffen auf ein Ergebnis ohne Schlichtung.