Berlins Regierender Bürgermeister unter Druck: Zum Aufenthalt bei Partymanager Schmidt kommen Reisen im Privatjet des Ex-Bahnchefs.

Berlin. Anfang Oktober, als die Grünen nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit der SPD in Berlin ihren ganzen Zorn auf Klaus Wowereit ausschütteten, sagte Parteichef Cem Özdemir in einem Radio-Interview: "Herr Wowereit möchte lieber Party." Der Satz war so boshaft gemeint, wie er klang. Wenn es in den inzwischen elf Regierungsjahren jemals einen wunden Punkt bei Wowereit gab, dann konnte dieser mit dem Wörtchen Party am besten umschrieben werden. Der Regierende lebte bis zuletzt ganz gut mit den Etikettierungen als "Party-Wowi" und "Party-Bürgermeister". Der Ruf des SPD-Politikers, bei Hauptstadtfestlichkeiten nur ungern zu fehlen, schadete ihm schlichtweg nicht.

Die Dinge haben sich inzwischen verändert. Die Debatte um Vorteilsannahmen des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, über Geben und Nehmen zwischen Spitzenpolitikern und "Freunden" aus der Wirtschaft hat auch Wowereit eingeholt. Seit Tagen steht er in der Kritik, weil er vor acht Jahren kostenlos in der Nähe von Barcelona auf einer Finca des umstrittenen Eventmanagers Manfred Schmidt einen Kurzurlaub machte. Beim Gastgeber handelt es sich um jenen Schmidt, der dem Wulff-Vertrauten und Pressesprecher Olaf Glaeseker unentgeltliche Urlaube geschenkt haben soll. Schmidt organisierte auch den "Nord-Süd-Dialog", eine private Veranstaltungsreihe, bei der sich niedersächsische und baden-württembergische Unternehmen unter politischer Schirmherrschaft präsentierten.

+++ Wowereit in der Kritik: "Würde das heute nicht mehr machen" +++

Für Wowereit könnte sich nun ein weiterer bekannter Name aus der Wirtschaftswelt zum Problem entwickeln: der Unternehmer und frühere Bahnchef Heinz Dürr. Mit ihm zusammen und in dessen Privatjet war Wowereit in den Jahren 2002 und 2003 zu Treffen internationaler Geschäftsleute beim Berlin Capital Club in London geflogen. Flug samt Übernachtung sollen laut "B.Z." beim ersten Mal 5625 Euro gekostet haben. Wowereit habe aber lediglich privat den Preis eines normalen Linienfluges in Höhe von 300 Euro an ein gemeinnütziges Projekt gespendet. Dasselbe Prozedere habe der Regierungschef Berlins auch beim zweiten Flug angewandt, diesmal mit einer Spende von 215 Euro.

Dürr wäre "sowieso geflogen", begründete er seine Begleitung gestern in einer Pressekonferenz. Er habe bei dem Treffen in London auch Golf spielen können, daher habe er nicht auf Dienstreisekosten hinfliegen wollen. Anrüchig fand das der SPD-Politiker gestern zumindest nicht. Von Vorteilsannahme könne keine Rede sein, da er keine geschäftlichen Beziehungen zu seinen Gastgebern pflege. Und schließlich gebe es auch schöne Einladungen.

Die Aufregung in der Opposition ging dennoch nicht spurlos an ihm vorüber. "Heute würde ich das nicht mehr machen", stellte Wowereit klar. Schon damals habe er Vorwürfe der Vorteilsannahme befürchtet und danach privat die Spenden vorgenommen, um sich "nicht angreifbar zu machen". Aber er sei auch ein Privatmensch und lege Wert darauf, private Bekanntschaften zu haben. Darauf werde er auch in Zukunft nicht verzichten. Und um auch seinen Urlaubsaufenthalt in der Finca ins rechte Licht zu rücken, bezeichnete Wowereit Eventmanager Schmidt als "sehr guten Bekannten". Es sei aber schwierig zu sagen, wann er privat sei, suchte Wowereit nach einer Erklärung für die immer wieder sichtbare Grauzone zwischen persönlichen Einladungen und dem Auftritt als Amtsperson. "Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass alle Einladungen nur den Menschen Klaus Wowereit meinen und die Leute mir begegnen wollen, weil ich so ein netter Kerl bin." Der Bedrängte versuchte sogar, mit ein bisschen Humor ein Argument für seine Unbestechlichkeit hervorzubringen: "Herr Dürr hat immer auf mich eingeredet, dass ich den Flughafen Tempelhof offen lasse" - da hätten dessen Kontakte offensichtlich nichts genutzt.

+++ Wowereit wegen Urlaub bei Manager Schmidt unter Druck +++

Den Grünen reichen Wowereits Erklärungen seit Bekanntwerden der Affäre um Gratis-Urlaub und kostenlose Flüge nicht aus. Sie sehen noch zu viele offene Fragen, die Wowereit beantworten soll. Vergeblich versuchten sie allerdings, den Regierungschef in den Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses zu zitieren. Und Klaus Wowereit machte gestern deutlich, dass er das Thema als abgehakt ansieht. Bald aber herrsche für Politiker ein Klima, in dem normale gesellschaftliche Kontakte nicht mehr möglich seien, beschwerte er sich.

Auch wenn er rechtlich kein Problem sehe, sei Wowereits Handeln politisch ungeschickt gewesen, kritisierte dagegen Jochen Bäumel von der Antikorruptions-Organisation Transparency International. Solange es keine geschäftlichen Beziehungen gebe, könne Wowereit privat besuchen, wen er wolle. "Trotzdem: Wenn ich Politiker bin, muss ich vorsichtiger sein." Ein Regierender Bürgermeister sei als Gast von Veranstaltungen vor allem interessant, weil er prominent sei.