Nach geheimen Tonbandprotokollen wurde das Stück uraufgeführt. Es gibt einen Einblick in die Chaostage der DDR-Einheitspartei.

Berlin. Verzweifelte Rechtfertigungsversuche, dramatische Wortgefechte, tumultartige Szenen: Während die DDR schon wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach, versuchte das Zentralkomitee im Herbst 1989 noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Viermal trat das ZK der SED zwischen dem 18. Oktober und dem 3. Dezember zusammen. Erich Honecker gab auf, alte Politbüromitglieder wurden gefeuert, neue geheuert, und Egon Krenz schwafelte von "Analysen der Ursachen". Während sich draußen die Menschen in den Armen lagen, wurde die Stimmung drinnen zunehmend hysterischer, denn den Genossen dämmerte, dass man sie zur Verantwortung ziehen würde. Kritik und Selbstkritik gipfelten in dem Ausbruch des Altkommunisten Bernhard Quandt, der vor Wut heulend in den Sitzungssaal rief, man solle sofort ein neues Politbüro wählen. Eins, das "mit der alten Verbrecherbande" nichts zu tun habe! Außerdem schlug der 86-Jährige vor, "alle standrechtlich erschießen, die unsere Partei in eine solche Schmach gebracht haben" ...

In eben diesem Sitzungssaal, der heute zum Auswärtigen Amt gehört, hat gestern die Uraufführung des Theaterstücks "Das Ende der SED. Die letzten Tage des Zentralkomitees der SED" stattgefunden. Es basiert auf den Tonbandaufzeichnungen, die unter strengster Geheimhaltung vom Politbüro veranlasst wurden, beziehungsweise auf dem gleichnamigen Dokumentenband, den der Potsdamer Hans-Hermann Hertle 1997 herausgegeben hat.

Graue Anzüge, graue Schminke, ein paar lebensgroße Puppen als Ersatz für die, die ausgemustert werden oder das sinkende Schiff verlassen - das reicht der Truppe vom theater 89 zur Inszenierung des spektakulären Untergangs. Dazu gibt es die alten Lieder: Bechers "Auferstanden aus Ruinen", Essers "Moorsoldaten", und, natürlich, die heimliche Hymne der SED: "Die Partei, die Partei, die hat immer recht ..."

Aus der Entfernung von mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten wirkt das bizarre Endspiel durchaus komisch. Etwa wenn der Chef der Staatlichen Planungskommission, Gerhard Schürer, von "Problemen der Leistungsentwicklung" spricht und zum Beweis anführt, dass die hoch subventionierte Mikroelektronikindustrie "für 40 Mark" Teile herstelle, die man auf dem Weltmarkt "für eine Mark fünfzig!" kaufen könne. Allerdings wurde während der Uraufführung kaum gelacht. Das lag vermutlich daran, dass der größte Teil des Premierenpublikums die Misswirtschaft der SED noch aus eigener Erfahrung kannte. Spontanen Beifall gab es jedenfalls nur für den eingespielten Tonmitschnitt, in dem man Günter Schabowski noch einmal die berühmten Sätze vom 9. November 1989 sprechen hörte: Seines Wissens trete die neue Reiseregelung "sofort" in Kraft. "Unverzüglich."

Die DDR war dem Untergang geweiht, weil sie pleite war. Ihre Auslandsschulden lagen nach Schürers Rechnung bei knapp vierzig Milliarden D-Mark, und neue Kreditgeber waren nicht mehr in Sicht. Als Sündenbock musste der langjährige oberste Wirtschaftslenker Günter Mittag herhalten, den das Zentralkomitee "wegen gröblichster Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie" ausschloss.

Genützt hat das nichts mehr. Am 3. Dezember war das ZK Geschichte.